Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
Shah Jahans Chronisten stets die strenge persönlicheZensur des Kaisers zu durchlaufen hatten. Für bleibenden Ruhm schien ein vorzeigbares architektonisches Erbe das probate Mittel. Im Roten Fort, einer gewaltigen Festungsanlage mit roten Sandsteinmauern, wurden prächtige Palastbauten errichtet, es ist noch heute eine der Hauptattraktionen im alten Delhi. In Shah Jahans neuer Hauptstadt war der Bau von Gärten am Wasser Mitgliedern der kaiserlichen Familie und den wichtigsten Adeligen vorbehalten. Nach dem Umzug des Hofes in die neue Hauptstadt Shahjahanabad begann allerdings der Abstieg Agras, der sich fortsetzte, als der Großmogul in seinen letzten Lebensjahren von seinem Sohn gefangen gehalten wurde. Wohl auch deshalb wurden immer mehr der Adelsresidenzen in der Nachbarschaft des Taj Mahal in Grabmäler umgewandelt.
Shah Jahans Lieblings- und Hauptfrau war Mumtaz Mahal, die er 1612 als seine dritte Frau geheiratet hatte. Zeitgenossen rühmten sie als überaus schön und liebenswert, als fromm und ihrem Mann treu ergeben. Der Chronist des Moguls pries die Liebesbeziehung der beiden in den höchsten Tönen. Wie es seine Aufgabe war, habe Shah Jahan seinen anderen Frauen Kinder geschenkt, aber ansonsten all seine Aufmerksamkeit Mumtaz Mahal gewidmet, mit der ihn Tieferes verbunden habe, so dass sie eine glückliche Ehe und in jeder Hinsicht erfüllte Beziehung führten, wie sie nur wenigen beschieden sei. Die Chronisten vergaßen auch nicht zu bemerken, dass sich die Lieblingsgattin des Herrschers politisch zurückhielt, ganz so, wie es der »Frau an seiner Seite« gebührte. Solche Hinweise mögen durchaus und gar nicht allzu sehr versteckt gegen Nur Jahan, die mitregierende Frau seines Vaters, gerichtet gewesen sein. Mumtaz Mahal dagegen befasste sich standesgemäß mit Gartenkunst und engagierte sich für wohltätige Zwecke.
Von den vierzehn Kindern, die sie zur Welt brachte, starbdie Hälfte früh, und die Geburt des letzten kostete sie schließlich 1631 , mit nur 38 Jahren, das Leben. Den Chroniken zufolge brach der Großmogul angesichts dieses plötzlichen Verlustes völlig zusammen. Der gesamte Hof musste die indische Trauerfarbe Weiß tragen, und für eine Woche versagte sich der Shah Jahan alle öffentlichen Pflichten. Offenbar erwog er gar die Abdankung zugunsten seiner Söhne, was er schließlich aber doch nicht wahrmachte. Die beispiellose Trauer führte er hingegen weiter: Er verweigerte das Tragen schmuckvoller, farbenfroher Kleidung ebenso wie die Zerstreuung durch Musik, vernachlässigte sein Aussehen und wurde zum Schatten seiner selbst. Die Hochzeiten seiner Söhne wurden auf seinen Befehl hin verschoben, und der Wochentag von Mumtaz Muhals Tod, ein Mittwoch, wurde für freudige Festlichkeiten zum Tabu.
Die Gattin des Großmoguls wurde zunächst in den Gärten von Zainabad nahe Burhanpur beigesetzt, wo sie gestorben war, und später in den Taj Mahal umgebettet. Dort begrub man sie zunächst provisorisch auf der Baustelle. Jeder Jahrestag ihres Todes (nach dem islamischen Mondkalender) wurde feierlich begangen und am zwölften das Mausoleum schließlich eingeweiht. Die künstlerische Ausgestaltung nahm allerdings noch einige weitere Jahre in Anspruch. Der Überlieferung nach weinte Shah Jahan jedes Mal bitterlich, wenn er ihr Grab besuchte, und sein Bart soll nach dem Tod der geliebten Gefährtin im Handumdrehen grau geworden sein. Ihr Grabmal aber, der Taj Mahal, galt fortan als steinernes Gedicht des Herrschers, das der unendlichen Liebe zu seiner verstorbenen Gattin Ausdruck verlieh, sowie als Bauwerk, das auf überragende Weise der Anmut und stillen Größe der Frau entsprach, zu deren Gedenken es errichtet wurde.
Nun ist es nicht gerade üblich in muslimischen Gesellschaften, auch nicht in deren Herrscherdynastien, die Verehrung vonFrauen derart nach außen zu tragen, dass man ihnen prachtvolle Mausoleen errichtet hätte.
Überhaupt war durch alle Kulturen und Zeiten hindurch für Adelige und Fürsten Liebe selten eine Privatangelegenheit. Fast immer mussten hochgestellte Persönlichkeiten politisch heiraten, also durch die Verbindung mit einer bestimmten Familie ein Zweckbündnis eingehen. Daraus konnten territoriale Zugewinne oder diplomatische Verbindungen erwachsen oder der eigene Status aufgewertet werden. Andererseits weiß die Geschichte von Fällen, wo schnöde Vernunftheiraten trotzdem zu ganz großen Liebesbeziehungen führten, aber das scheinen eher Ausnahmen zu sein, die
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