Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
französische Trikolore hissen konnte.
Aus der schwindelerregenden Höhe konnte mutigen Blickes nach unten ein weiteres Bauwerk aus Stahl am anderen Ende des Marsfeldes vor der École Militaire bestaunt werden: die Galeriedes Machines , in der das industrielle Zeitalter seine Errungenschaften ausstellte. Es war damals die größte stützenfrei überdachte Halle der Welt, über 422 Meter lang, gut 114 Meter breit, fast 47 Meter hoch und sorgte wie der Eiffelturm für großes Aufsehen. Der Turm aber besorgte zudem die Ausstrahlung, denn von seiner Spitze erstrahlte während der Weltausstellung ein buntes Lichtsignal in den französischen Nationalfarben Blau-Weiß-Rot. Stolz gruppierte man den Eiffelturm in einem Bild inmitten der höchsten Bauwerke der damaligen Zeit, die der Turm der Weltausstellung natürlich weit überragt.
Doch lange vor Fertigstellung hatte sich in der französischen Hauptstadt heftiger Widerstand gegen das Bauwerk aus Stahl geregt. Ein Anwohner, ein pensionierter General mit dem wohlklingenden Namen Tancrède Boniface, strengte sogar einen Prozess gegen Eiffel an, wodurch die Bauarbeiten vorübergehend ins Stocken gerieten. Der Mann fürchtete, der Turm könne auf sein Haus stürzen. Erst als Eiffel für diesen unwahrschein-lichen Fall Schadenersatz versprach, konnte der Bau fortgesetzt werden. Andere verhöhnten den Bau als »Stahlgiraffe«. Am berühmtesten aber wurde eine Resolution namhafter Künstler, die sich gegen die Verschandelung der Stadt verwahrten, weil das kommerzielle Vorhaben Paris als Stadt höchster Baukunst entehre und die ehrwürdigen Baudenkmäler erdrücke. Sie beriefen sich auf den »französischen Geschmack«, der ein so ungemein monströses Gebilde inmitten der Perle Paris nicht dulden könne. Zu den 47 Unterzeichnern gehörten Alexandre Dumas, Guy de Maupassant, aber auch der Architekt der alten Pariser Oper, Charles Garnier, und der Komponist Charles Gounod. Letzterer versöhnte sich jedoch später mit dem neuen Pariser Wahrzeichen und gab nach dessen Fertigstellung sogar ein luftig-illustres Höhenkonzert auf der obersten Plattform.
Eiffel zeigte sich verwundert angesichts der heftigen Attacken und äußerte in einem Interview, es müsse wohl daran liegen, dass man Ingenieuren kein ästhetisches Empfinden zutraue. Er zögerte auch nicht, seinen Turm mit der kolossalen Attraktion der ägyptischen Pyramiden zu vergleichen, die damals hoch im Kurs standen. Gleichzeitig betonte er den wissenschaftlichen und staatstragenden Nutzen seines Bauwerks: Es diene der Meteorologie und Astronomie sowie der landesweiten Kommunikation nicht zuletzt im Krieg, sei aber eben auch ein weithin sichtbarer Ausweis französischer Ingenieurskunst. Die vermeintliche Nutzlosigkeit des Turms, zumal nach Ende der Weltausstellung, blieb gleichwohl ein Hauptangriffspunkt der Kritik. Die wissenschaftlichen Argumente zählten für die Kritiker nicht, und seine Ästhetik überzeugte nur allmählich.
Im Unterschied zum Symbol der ersten Weltausstellung von 1851 , dem 1936 durch einen Brand zerstörten Londoner Crystal Palace, blieb der Eiffelturm der Nachwelt trotz aller Anfeindungen erhalten. Dabei wäre es ihm, so der Plan, schon zur nächsten Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 an den Kragen gegangen: Er sollte zu diesem Anlass verändert oder gar entfernt werden. Glücklicherweise waren die eingereichten Vorschläge nur mittelmäßig und das Geld zu knapp – außerdem konnte sich der standfeste Erbauer Eiffel auf seine Verträge berufen, deren Erfüllung den Fortbestand des Bauwerks voraussetzte. Aber einige Jahre später stand sein Werk erneut zur Disposition, konnte diesmal aber aufgrund seiner inzwischen unbestreitbaren Dienste für die Wissenschaft, auf die seine Fürsprecher mit Vehemenz verwiesen, gerettet werden. Man nahm also auch dieses Mal Abstand von der Demontage, und damit sollte der Eiffelturm für alle Male gerettet sein. Es dauerte noch eine Weile, bis er 1915 für den Transatlantikfunk in Dienst genommen wurdeund sich beim Abhören feindlicher Funksprüche als kriegswichtig erwies. Seit 1921 wurden von dort Radioprogramme ausgestrahlt, wenige Jahre später nutzten die französischen Pioniere des Fernsehens den Turm für Testsendungen. Im Zweiten Weltkrieg geriet er gar zum Symbol der französischen Résistance: Während der gesamten Zeit der deutschen Besatzung versagten die Aufzüge des Turms ihren Dienst: öffentlichkeitswirksame Sabotage. Spätestens jetzt war der
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