Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
Eiffelturm landesweit als aufrechter Franzose anerkannt. Mit der Aufnahme in die französische Denkmalliste 1964 wurde er schließlich offiziell dem nationalen Kulturerbe hinzugefügt.
Im Streit um den architektonischen und ästhetischen Rang des Eiffelturms zeigt sich der Bruch zwischen Tradition und Aufbruch, zwischen alter Zeit und Moderne, der im 19 . Jahrhundert überall in Europa die Gemüter immer wieder in Wallung brachte. Die bürgerlichen Beharrungskräfte, die der vielfach ungeliebten neuen Zeit wenigstens baulich und ästhetisch Paroli bieten wollten, erwiesen sich als ebenso lautstark wie hartnäckig. Die Veränderungen waren schon einschneidend genug – aber musste man ihrem sichtbaren Ausdruck im Stadtbild auch noch Tür und Tor öffnen? Und was die Weltausstellung betraf: War es nicht viel netter zugegangen auf der letzten Pariser von 1878 , als man architektonisch und auch anderweitig in viel orientalischer Pracht geschwelgt hatte? Bei vielen Pariser Bürgern dürfte der Turm in der Tat einen Schock ausgelöst haben, zumal bei der Vorstellung, dass das Stahlmonument den Rummel der Exposition Universelle überleben sollte. Ein baulicher Triumph der Technik in Form funktionaler Ästhetik galt vielen allenfalls als statthaft, wenn er sich mit konkretem Nutzen verband wie im Fall von Bahnhöfen oder Gewerbebauten.
Zunächst keineswegs euphorisch reagierten aber auch Kunstund Avantgarde in Frankreich auf Eiffels Stahlkoloss, sondern verweigerten sich dem Neuankömmling – in ihren Augen nichts anderes als ein Stadtmöbel. Maupassant verließ erklärtermaßen seine Stadt, um das Stahlmonstrum nicht sehen zu müssen, andere nahmen auf den innerstädtischen Alltagswegen größere Umwege auf sich, um dem schändlichen Anblick zu entgehen. Anders der Schweizer Blaise Cendrars: Er brachte dem Bauwerk dichterische Verehrung entgegen und erhob es zu einem zeitgemäßen Schönheitsideal. Als Signet einer Metropole und als Symbol der tosenden modernen Großstadt aber war der Turm ein paar Jahrzehnte zu früh gekommen. Insofern gehört er zur Avantgarde bezüglich der Ästhetik moderner Großstädte, was ihn dann doch noch zum Fetisch der modernen Kunst machte, bevor die Ansicht des Pariser Eiffelturms derart oft verwendet wurde, dass er sich nur noch mit einigem Einfallsreichtum als originelles Kunstmotiv eignete.
Denn à la longue wurde der Eiffelturm zu einem geradezu inflationär eingesetzten Motiv der Kunst, angefangen bei Georges Seurat, der das Bauwerk noch vor Fertigstellung malte, über Chagall und Picasso, Dufy und viele andere. Vor allem der mit Cendrars befreundete kubistische Künstler Robert Delaunay, der nicht umsonst als der Eiffelturm-Maler schlechthin gilt, fand in ihm für seine »destruktive Periode« ein geradezu leidenschaftlich umworbenes Motiv. Der Kubismus wie auch die zukunftsselige, technik- und tempoorientierte Kunstrichtung des Futurismus konnten dem Turm besonders viel abgewinnen. Kino und Chanson kommen an dem Hochbau seither ebenso wenig vorbei, Werbung und Produktdesign gleichermaßen. Der Turm wurde daneben zu einem Trivialobjekt des Massentourismus, seine Form zum Inbegriff von Paris und Frankreich, so dass er als mehr oder weniger kitschiges Souvenir Verbreitung in alle Welt fand.
Aber trotz der Verwertung als Massenware: Ähnlich wie das ebenfalls französische Automobil Citroën DS, die Göttin unter den Automobilen, scheint der Pariser Eiffelturm zeitlos modern, immerzu futuristisch. Hundertzwanzig Jahre nach seiner Errichtung ist er ein Teil von Paris, den wohl kaum jemand missen möchte – und immer noch ist er eine Nachricht wert: So regelmäßig alle sieben Jahre, wenn der Neuanstrich des Stahlkolosses fällig ist, der über zwanzig gut vertäute Anstreicher anderthalb Jahre lang damit beschäftigt, von oben nach unten mit rund anderthalbtausend Pinseln sechzig Tonnen Farbe aufzutragen, um das Pariser Wahrzeichen vor Rost, Vogelkot, Abgasen und Witterungseinflüssen zu schützen. Und um bei seinen jährlich rund sieben Millionen Besuchern einen guten Eindruck zu hinterlassen.
*CRISTO REDENTOR, RIO DE JANEIRO/BRASILIEN
Brasilien ist das bei Weitem größte und bevölkerungsreichste Land Südamerikas; das Staatsgebiet nimmt erkleckliche 47 Prozent der Fläche Südamerikas ein. Erstaunlicherweise entwickelte sich Brasilien trotz Größe und ethnischer Vielfalt schon recht bald nach seiner Unabhängigkeit von Portugal 1822 zu einer Nation, was gemeinhin mit der
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