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Die Neunte Gewalt

Titel: Die Neunte Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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ursprünglich angenommen hatte. Er war in diesem Augenblick überzeugt, sterben zu müssen. Den linken Fuß hatte es natürlich am schlimmsten erwischt: er war diagonal vom zweiten Zeh bis zum Spann abgetrennt worden. Fleischbrocken, Sehnen und Knochen drangen dort, wo einst sein Fuß gewesen war, aus dem erhalten gebliebenen Teil hervor.
    Doch er verschwendete zu diesem Zeitpunkt keinen Gedanken daran. Als er neben der Leiche seines Vaters auch die seiner Mutter und seiner beiden Schwestern fand, glaubte er, innerlich zu zerbrechen. Sie alle waren Soldaten gewesen; sein Vater hatte sie dazu gemacht, als er seinen Traum verwirklichte. Nun stand Garth vor ihren geschundenen, blutigen Leichen. Ein Alptraum.
    Er wäre wohl auch gestorben, hätte die Aufräum-Truppe ihn nicht gefunden. Die Ärzte flickten ihn nachlässig wieder zusammen, und er wurde ins Militärgefängnis gesteckt. Keine Besucher. Niemand kam zu ihm, außer den Wärtern, die ihm das Essen brachten.
    Garth Seckle kümmerte es nicht. Er sorgte selbst für seine Genesung, lebte und atmete den Schmerz aus seinem Körper. Es hieß, seine Fußverletzung würde ein normales Gehen, ganz zu schweigen von schnellem Laufen, unmöglich machen. Doch nach einem Monat ging und nach zwei weiteren lief Seckle auf der Stelle. In der erdrückenden Hitze der Zelle strömte der Schweiß seinen Körper hinab, und sein Verstand kämpfte mit dem Plan gegen die Schmerzen an. Er bezweifelte keine Sekunde lang, daß er die Zelle eines Tages verlassen würde. Eine lebenslange Haftstrafe zu akzeptieren hieße, den Tod hinzunehmen.
    Doch die Art und Weise, wie er die Zelle schließlich verließ, überraschte selbst ihn. Eines späten Abends kamen Fremde in die Zelle. Er wurde betäubt, und sie nahmen ihn mit. Als er wieder zu sich kam, blickte ein kleiner Mann mit tief im Kopf liegenden Augen zu ihm hinab.
    »Hallo, Garth.«
    »Wer …?« keuchte er. Sein Mund war zu trocken zum Sprechen.
    »Wer ich bin? Ich bin der Mann, der Ihnen das Leben zurückgibt. Und noch viel mehr.«
    Der Mann ließ ihn ohne Bedingungen frei. Er nannte es einen Test und versprach, daß sie sich eines Tages wiedersehen würden. Seckle wurden die Akten der ursprünglichen Caretakers zugespielt, und er fand heraus, wo ihre nächsten Verwandten lebten und arbeiteten. Als er feststellte, daß mehrere von ihnen in sehr abgelegenen Ortschaften wohnten, zog er mehr in Betracht als nur eine unmittelbare Rache. Schließlich hatten sie ja nicht nur seinen Vater getötet, oder? Die ganze Welt, die er gekannt hatte, war zerstört worden. Genauso würde es mit den engsten Verwandten derer geschehen, die dieses Unrecht über ihn gebracht hatten. In Vietnam hatte er genauso gehandelt und sich befriedigt gefühlt.
    Aber heute abend würde er alldem die Krone aufsetzen, denn heute abend würde Kimberlain bezahlen. Seckle fragte sich, ob der Fährmann jemals herausfinden würde, daß der heutige Besuch ihm galt. Aber es spielte keine Rolle. Wichtig war nur, daß Seckle es wußte. Die Scheibenwischer des Lieferwagens fegten den niederprasselnden Regen hinweg; doch schon schlugen neue Sturzfluten gegen die Windschutzscheibe. Seckle gefiel diese Symbolik, denn ganz gleich, wie viele Leben er auch nahm, es würden immer welche übrigbleiben, die es wert waren, ebenfalls genommen zu werden. Ein Blitz warf Schatten auf ihn, die augenblicklich in der Dunkelheit verschwanden. Ein Donner krachte in seinen Ohren.
    Tiny Tim fuhr durch die Nacht.
    Da nach Kimberlain gefahndet wurde, stellte ein Auto das einzige sichere Transportmittel dar. Nachdem sie den ersten der insgesamt vier gestohlenen Wagen, mit denen sie über die Route 81 zum Pocono-Gebirge Pennsylvanias fuhren, kurzgeschlossen hatten, besprachen sie die Umrisse ihres Plans.
    »Wir müssen mit dem auskommen, was wir aus einem Waffengeschäft herausholen können«, sagte Kimberlain schließlich. »Vielleicht ein paar …«
    »Nein!« warf Hedda ein. »Eine High-School, vielleicht sogar ein College!«
    Kimberlain begriff. »Das Chemielabor …«, sagte er.
    »Und da gerade Sommerferien sind, finden wir alles, was wir brauchen, ordentlich verstaut in den Schränken. Wir müssen nur ein Schloß knacken und vielleicht eine Alarmanlage ausschalten. Aber es kostet Zeit, das zusammenzubasteln, was wir brauchen«, fügte Hedda hinzu. »Ganz gleich, woher wir es bekommen.«
    »Es gibt Möglichkeiten, die Sache zu beschleunigen, auch wenn wir dann nicht ganz auf Nummer Sicher gehen.

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