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Die Neunte Gewalt

Titel: Die Neunte Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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Grateful-Dead-T-Shirt. An einer Kette um seinen Hals baumelte ein Medaillon mit dem Friedenssymbol der sechziger Jahre, obwohl er einen Großteil dieses Jahrzehnts kämpfend in Vietnam verbracht hatte, anstatt gegen diesen Krieg zu protestieren.
    »Sieht dir gar nicht ähnlich, so nervös zu sein, Captain.«
    »Tja, die Zeiten ändern sich. Und die Menschen auch. Willst du wissen, warum ich so nervös bin? Komm her, und ich zeig's dir.«
    Captain Seven führte Kimberlain durch die technologischen Aufbauten des ersten Eisenbahnwaggons. Alles war dunkel und glatt; eine schimmernde schwarze Ledergarnitur war handgearbeitet und genau den Räumlichkeiten angepaßt. Ebenfalls maßgefertigte Schränke waren vom Boden bis zur Decke mit aufblitzenden Lampen, Dioden, Videorecordern, Monitoren, Schaltern und zahlreichen Computern mit der dazugehörigen Hardware angefüllt, an denen sie auf dem Weg zum zweiten der miteinander verbundenen Waggons vorbeigingen. Seven ließ die Tür aufgleiten und führte Kimberlain hinein.
    Der Wohnraum des Captains unterschied sich kaum von dem ersten Waggon. Ein Bett und ein Stuhl kämpften mit weiteren Ausrüstungsgegenständen, die vorn keinen Platz mehr gefunden hatten, erbittert um Raum. Ein an den Kanten scharf geschwungener Fernsehbildschirm beherrschte eine Wand. Seven hatte für Kimberlain ein dreidimensionales Projektionssystem entwickelt, das es ihm ermöglichte, Filme zu sehen, als würde er in ihnen mitspielen. Lediglich aufgrund des Platzmangels hatte der Captain in seinem Eisenbahnheim auf ein ähnliches System verzichtet.
    »Na? Was ist das wohl?« fragte Captain Seven ihn und hielt einen Plastikapparat hoch, der hauptsächlich aus Röhren und mit Flüssigkeit gefüllten Kammern bestand.
    »Deine Lieblingserfindung, mit der du dir dein Hawaiianisches Lavabett-Marihuana reinziehst. Wenn ich mich recht entsinne, mußt du es in diesem Ding nicht anzünden.«
    »Genau. Das Einatmen erzeugt die notwendige Verbrennung. Ich habe einen Bestandteil hinzugefügt, der mit Sauerstoff reagiert. Eine komplizierte Formel, aber ich hatte gerade nichts zu tun. Fällt dir sonst noch was auf?«
    »Es ist leer.«
    »Verdammt richtig, es ist leer. Und weißt du auch, warum?«
    »Mußte dein Dealer aus der Stadt verschwinden?«
    »Ich habe damit aufgehört, Fährmann, und es bringt mich verdammt noch mal um. Ich habe das Zeug dreiunddreißig Jahre lang geraucht, seitdem ich neun war, und hatte nie ein Problem damit. Jetzt habe ich aufgehört, und ich bin das reinste Nervenbündel.«
    »Warum hast du dann aufgehört?«
    »Um mir zu beweisen, daß ich es schaffe. So eine Art Herausforderung.«
    Kimberlain musterte die ergrauenden Locken des Captains. »Eher eine Art Midlife-Krise«, sagte er.
    »Nee, tut mir leid. Mann. Die habe ich einfach übersprungen, genau wie meine Zeit als Teen und Twen. Als Heranwachsender saß ich in der Jugendstrafanstalt, weil ich eine Schule in die Luft gejagt hatte, und als junger Mann kämpfte ich in Vietnam, weil ich die Sache mit der Schule so gut hingekriegt hatte, daß sie mich nicht mehr aus den Krallen lassen wollten. Die verdammte Musterungsbehörde hat ein seltsames Auswahlprinzip.«
    Captain Seven setzte sich mit seiner hochmodernen ›Pfeife‹ auf das Bett und tätschelte sie, wie ein kleines Mädchen eine Puppe tätscheln würde. Kimberlain nahm den Stuhl. »Die Jungs bei den SF sind auf Leute scharf, die Ergebnisse bringen«, sagte er.
    »Ja, die Special Forces waren ein guter Verein. Die fragen nicht, wie es geht, die sagen einfach: mach mal. Je mehr Ergebnisse, desto besser. Niemand stellt Fragen. Dann haben sie die Einheit aufgelöst und mich einer anderen zugeteilt. Der leichten Infanterie oder so 'nem Scheiß. Plötzlich mußte ich Berichte schreiben! Kannst du dir das vorstellen? Bevor ich ein Alka Seltzer ins Wasser werfen konnte, bekam ich Befehle von Lieutenants, die noch nicht trocken hinter den Ohren waren und noch keinen Tropfen Blut gesehen hatten. Ich hatte mal so ein Perimeter-Verteidigungssystem ausgetüftelt, wie ein Minenfeld, nur daß man den Sprengstoff an Bäume hängte, anstatt ihn einzugraben. Ich dachte mir, wenn das erste Schlitzauge einen Stolperdraht berührt, wird es zerfetzt, während seine Kumpels sich zu Boden werfen und drauflos feuern. Also ließ ich mir etwas einfallen, bei dem der erste Bursche einen Zünder auslöste, aber die Minen erst ungefähr fünf Sekunden später hochgingen, wenn sein ganzer Trupp in der Todeszone war.

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