Die Neunte Gewalt
er. »Eine übliche Maßnahme.«
»Und das sind Aufzeichnungen der fraglichen Nacht?«
»Richtig.«
»Falsch, Vogey.«
»Was meinen Sie damit?«
»Daß Leeds und die anderen schon lange verschwunden waren, bevor der Strom sich verabschiedete. Ihre Jungs haben es nur nicht gewußt.«
»Fangen wir am Anfang an«, übertönte Seven Vogelhuts beharrliche Proteste. »Wann haben Sie an diesem Abend Ihre Tiere gefüttert?«
»Den Unterlagen zufolge zwischen sechs und halb sieben.«
»Und der Stromausfall war um …«
»Um halb zwölf. Oder kurz davor oder danach.«
»Also hatten Ihre Jungs so in etwa fünfeinhalb Stunden, in denen die Bekloppten verschwinden konnten.«
»Aber ich habe die Gefangenen gesehen«, wandte Vogelhut ein. »Als ich zurückkam, habe ich sie in ihren Zellen gesehen!«
»Sie haben sie in ihren Zellen gesehen, Vogey, aber sie waren schon nicht mehr da. Sie haben gerade gesagt, es sei eine übliche Vorsichtsmaßnahme, Aufzeichnungen zu machen. Zwölf Kameras bedeuten jeweils zwölf Zellen. Eine ziemlich komplizierte Sache.«
»Es ist auch ein kompliziertes System. Das fortschrittlichste, das es zur Zeit gibt.«
»Nicht ganz. Die Version der NASA ist Ihnen ein paar Meter voraus und meine übrigens auch. Sie hätten eine bessere Überwachung haben können. Zu schade, daß Sie sie nicht hatten.«
»Warum?«
»Weil Ihr System Leeds und den anderen die Flucht ermöglicht hat«, fuhr Captain Seven fort. »Hören Sie, in die Eingeweide Ihres Kontrollpults ist ein Aufzeichnungsgerät von der etwa vierfachen Größe eines normalen Videorecorders eingebaut. Die Bänder sind ungefähr dreimal so groß. Wenn Sie diese Tiere am nächsten Tag sehen wollen, sagen Sie dem Computer, welche Zelle er Ihnen einspielen soll, und dieses Bild kommt auf Ihren Monitor.«
»Das weiß ich«, sagte Vogelhut. »Das Gerät wurde nach meinen Anforderungen konstruiert.«
»Miese Anforderungen.«
»Was?«
»Fehler. Schwächen.«
»Das ist doch verrückt!«
»Nein«, sagte Seven und tippte auf das Hauptkontrollpult. »Das ist Scheiße. Ein Schuljunge aus der siebenten Klasse könnte ein besseres System zusammenbasteln. Gott im Himmel, Sie kapieren es wirklich nicht, oder?« fuhr der Captain fort. Die drei Männer waren in das Licht der zwölf flackernden Monitore getaucht. »Jemand ist in Ihr System eingedrungen, Vogey. Jemand hat ein paar Veränderungen vorgenommen, die Ihr Aufzeichnungsgerät in ein Abspielgerät verwandelt haben.«
Kimberlain folgte mit den Blicken Sevens Finger zur Schalttafel des Hauptkontrollpults, die wie das eines hochmodernen Videorecorders aussah. Der Knopf ÜBERWACHUNG/AUFZEICHNUNG war gedrückt, aber der WIEDERGABE-Knopf nicht. »Dann ist das, was wir jetzt sehen …«
»Genau das, was die Wachen und Vogey vor vier Abenden gesehen haben. Nur, daß es damals genauso unwirklich war wie heute.«
»Nein«, keuchte Vogelhut, als bekäme er plötzlich keine Luft mehr. »Das System wurde überprüft. Wir haben keinen Fehler gefunden, wie Sie ihn beschreiben.«
»Weil es später wieder umgeschaltet wurde, was kein Problem gewesen sein dürfte, da Sie das System erst fast einen Tag nach dem Ausbruch überprüft haben.« Seven schaltete das Gerät aus, und die Bildschirme wurden dunkel. »Ich habe es erneut umgeschaltet, um diese kleine, beschissene Vorführung durchziehen zu können. Das reinste Kinderspiel. Als würde man eine Glühbirne auswechseln. Dieses Band ist wahrscheinlich vor über einer Woche aufgenommen worden, damit Ihre Wachen sich an keine auffälligen Einzelheiten mehr erinnern und darüber nachdenken, was sie da sehen.
Vielleicht hat man sogar eine Reihe von Bändern mit nächtlichen Überwachungsaufnahmen zusammengeschnitten.«
»Dann haben wir es mit einem Insider-Job zu tun«, schloß Kimberlain. »Jemand, der hier arbeitet, muß den Entflohenen geholfen haben.«
»Aus mehr als nur einem Grund, Fährmann.«
Vogelhut wandte sich plötzlich von den dunklen Bildschirmen ab. »Wann sind sie ausgebrochen?« fragte er. »Und wie?«
»Komisch, daß Sie das auch mal fragen.« Captain Seven lächelte. »Gehen wir von hinten nach vorn vor.« Er kletterte wieder auf das Kontrollpult, und diesmal protestierte Vogelhut nicht.
»Fangen wir mit dem Blackout und dem Ausfall der Systeme an«, schlug Kimberlain vor.
»Zu dem es laut der Aufzeichnungen um genau dreiundzwanzig Uhr neunundzwanzig kam. Was uns schon viel von dem verrät, was wir wissen müssen.«
»Wieso?« fragte
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