Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen
dem jeder Autor träumt, und ich gebe zu, dass sogar ich ein wenig ergriffen war. Solche Dinge kommen eigentlich im wirklichen Leben nicht vor. Nur wenige Wochen nach dem Erscheinen verkaufte sich das Buch besser, als man erwartet hatte. Eine zweite Auflage wurde gedruckt, in Zeitungen und Zeitschriften erschienen Anzeigen, und dann wurden die Rechte für eine Neuveröffentlichung im folgenden Jahr an einen Taschenbuchverlag verkauft. Ich will damit nicht sagen, dass das Buch nach kommerziellen Maßstäben ein Bestseller war oder dass Sophie auf dem Wege war, Millionärin zu werden, aber in Anbetracht des Ernstes und des anspruchsvollen Niveaus von Fanshawes Werk und in Anbetracht der Neigung des Publikums, sich solchen Werken fernzuhalten, war es ein Erfolg, der alles übertraf, was wir für möglich gehalten hatten.
Im Grunde sollte damit die Geschichte enden. Das junge Genie ist tot, aber sein Werk wird weiterleben, man wird sich in kommenden Jahren seines Namens erinnern. Sein Jugendfreund hat die schöne junge Witwe gerettet, und die beiden werden glücklich leben bis an ihr seliges Ende. Das wäre so ziemlich alles, und es fehlt nur noch ein letzter Applaus. Doch es zeigt sich, dass dies erst der Anfang ist. Was ich bisher geschrieben habe, ist nicht mehr als ein Vorspiel, eine rasche Zusammenfassung von allem, was vor der Geschichte kommt, die ich zu erzählen habe. Wenn nicht mehr daran wäre als das, gäbe es überhaupt nichts – denn nichts hätte mich dazu gebracht anzufangen. Nur die Dunkelheit hat die Kraft, einen Mann dazu zu bringen, sein Herz der Welt zu öffnen, und Dunkelheit umgibt mich, wenn ich an das denke, was geschah. Wenn ich Mut brauche, darüber zu schreiben, so weiß ich auch, dass Schreiben meine einzige Chance ist zu entkommen. Aber ich bezweifle, dass das passieren wird, selbst wenn es mir gelingt, die Wahrheit zu sagen. Geschichten ohne Ende können nur immer weiter und weiter gehen, und in einer gefangen zu sein, bedeutet, dass man sterben muss, bevor man seine Rolle darin zu Ende gespielt hat. Meine einzige Hoffnung ist, dass das, was ich zu sagen im Begriff bin, ein Ende hat, dass ich irgendwo eine Lücke in der Dunkelheit finden werde. Diese Hoffnung bezeichne ich als Mut, aber ob es Grund zur Hoffnung gibt, ist eine ganz andere Frage.
Es war etwa drei Wochen nach Eröffnung der Theatersaison. Ich verbrachte die Nacht wie üblich in Sophies Wohnung und fuhr am Morgen zu mir nach Hause, um zu arbeiten. Ich erinnere mich, dass ich einen Artikel über vier oder fünf Bände Lyrik beenden musste – eine dieser frustrierenden Mischmasch-Rezensionen –, und es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren. Meine Gedanken schweiften ständig von den Büchern auf meinem Schreibtisch ab, und alle fünf Minuten sprang ich auf und ging im Zimmer auf und ab. Eine komische Geschichte hatte mir Stuart Green tags zuvor erzählt, und es fiel mir schwer, nicht daran zu denken. Laut Stuart munkelte man, dass es eine Person wie Fanshawe gar nicht gebe. Es ging das Gerücht, dass ich ihn erfunden hätte, um die Leute zum Besten zu halten, und dass ich die Bücher in Wirklichkeit selbst geschrieben hätte. Im ersten Moment hatte ich gelacht und einen Witz darüber gemacht, dass ja auch Shakespeare keine Stücke geschrieben hatte. Aber nun, da ich ein wenig darüber nachgedacht hatte, wusste ich nicht, ob ich mich durch dieses Gerede gekränkt oder geschmeichelt fühlen sollte. Trauten mir die Leute nicht zu, dass ich die Wahrheit sagte? Warum sollte ich mir die Mühe machen, ein umfangreiches Werk zu schaffen, und dann nicht die Ehre dafür einstreichen? Und doch – glaubten die Leute wirklich, ich sei fähig, ein so gutes Buch wie Niemalsland zu schreiben? Mir wurde klar, dass es mir, sobald einmal alle Manuskripte Fanshawes veröffentlicht sein würden, ohne weiteres möglich wäre, noch ein oder zwei Bücher unter seinem Namen zu schreiben – die Arbeit selbst zu tun und sie als die seine auszugeben. Ich hatte das natürlich nicht vor, aber der bloße Gedanke daran löste faszinierende Fragen aus: Was bedeutet es, wenn ein Autor seinen Namen auf ein Buch setzt? Warum verstecken sich manche Autoren hinter einem Pseudonym? Hat ein Schriftsteller überhaupt ein richtiges Leben oder nicht? Es kam mir in den Sinn, dass es mir gefallen könnte, unter einem anderen Namen zu schreiben – eine geheime Identität für mich zu erfinden –, und ich fragte mich, warum ich diese Idee so anziehend fand. Ein
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