Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen
«Danke, Kleiner, stell es nur auf den Tisch dort.»
Aber nicht alles war so amüsant für Fanshawe. Eine Schlägerei wird erwähnt (ohne Einzelheiten), die ihn ebenso erregte wie einige unangenehme Szenen, deren Zeuge er an Land war. Ein Fall von Negerhetze in einer Bar in Tampa, zum Beispiel: Eine Bande von Betrunkenen rottete sich gegen einen alten Schwarzen zusammen, der mit einer großen amerikanischen Fahne hereingekommen war und sie verkaufen wollte. Der erste Betrunkene faltete die Fahne auseinander und sagte, es seien nicht genug Sterne darauf – «diese Fahne ist eine Fälschung», und der alte Mann bestritt es und winselte beinahe um Gnade, während die anderen Betrunkenen dem ersten beistimmten. Das Ganze endete damit, dass der alte Mann aus der Tür gestoßen wurde und auf den Gehsteig fiel, und die Betrunkenen nickten beifällig und taten die Angelegenheit mit ein paar Bemerkungen der Art ab, man müsse die Welt für die Demokratie sicher machen. «Ich fühlte mich gedemütigt», schrieb Fanshawe, «und schämte mich, dabei zu sein.»
Im Großen und Ganzen sind die Briefe jedoch in einem scherzhaften Ton geschrieben. («Nenne mich Redburn», beginnt einer von ihnen), und am Ende spürt man, dass es Fanshawe gelang, sich selbst etwas zu beweisen. Das Schiff war nicht mehr als ein Vorwand, ein austauschbares Anderssein, eine Art, sich vor dem Unbekannten auf die Probe zu stellen. Wie bei jeder Initiation war das Überleben selbst der Triumph. Was zunächst ein möglicher Nachteil war – seine Harvard-Erziehung, seine Herkunft aus dem Mittelstand –, verwandelte er zuletzt in seinen Vorteil, und gegen Ende seiner Zeit auf See war er der anerkannte Intellektuelle der Besatzung, nicht mehr nur der «Kleine», sondern manchmal auch der «Professor», der angerufen wurde, um bei Streitigkeiten seinen Schiedsspruch zu fällen (wer war der dreiundzwanzigste Präsident, wie viele Einwohner hat Florida, wer spielte 1947 bei den Giants im linken Außenfeld), und der regelmäßig als Quelle obskurer Informationen konsultiert wurde. Mitglieder der Besatzung baten ihn um Hilfe beim Ausfüllen bürokratischer Formulare (Steuerformulare, Versicherungsfragebogen, Unfallberichte), und manche baten ihn sogar, Briefe für sie zu schreiben. (In einem Fall siebzehn Liebesbriefe für Otis Smart an seine Freundin Sue-Ann in Dido, Louisiana.) Das Entscheidende war nicht, dass Fanshawe zum Mittelpunkt des Interesses wurde, sondern dass es ihm gelang, sich einzufügen, einen Platz für sich zu finden. Die wahre Probe war es schließlich, so wie alle anderen zu sein. Dann brauchte er seine Einzigartigkeit nicht mehr in Frage zu stellen. Er war frei – nicht nur von den anderen, sondern auch von sich selbst. Der letzte Beweis dafür ist, denke ich, dass er sich von niemandem verabschiedete, als er das Schiff verließ. Er ging eines Abends in Charleston von Bord, ließ sich vom Kapitän seine Heuer auszahlen und verschwand einfach. Zwei Wochen später kam er in Paris an.
Zwei Monate lang kein Wort. Und dann, während der nächsten drei Monate, nur Ansichtskarten. Kurze, unvollständige Botschaften, auf die Rückseite gewöhnlicher Touristenansichten gekritzelt: Sacré Coeur, der Eiffelturm, die Conciergerie. Als die Briefe wieder einsetzten, kamen sie in unregelmäßigen Abständen und enthielten nichts von großer Bedeutung. Wir wissen, dass Fanshawe nun mitten in seiner Arbeit steckte (zahlreiche frühe Gedichte, ein erster Entwurf von Blackouts ), aber die Briefe geben keinen wirklichen Hinweis auf das Leben, das er führte. Man fühlt, dass es ihn belastete, dass er Ellen gegenüber verunsichert war. Er wollte die Verbindung mit ihr nicht verlieren, aber er war nicht imstande zu entscheiden, wie viel oder wie wenig er ihr erzählen sollte. (Und Tatsache ist, dass die meisten dieser Briefe gar nicht von Ellen gelesen wurden. Sie waren an das Haus in New Jersey adressiert und wurden natürlich von Mrs. Fanshawe geöffnet, die sie überprüfte, bevor sie sie ihrer Tochter zeigte – und meistens bekam Ellen sie nicht zu sehen. Ich denke, Fanshawe musste gewusst haben, dass es so war, oder er musste es zumindest vermutet haben. Was die Sache noch komplizierter macht – denn in einem gewissen Sinne wurden diese Briefe gar nicht an Ellen geschrieben. Ellen war letzten Endes nur ein literarischer Kunstgriff, das Medium, durch das Fanshawe mit seiner Mutter kommunizierte. Daher ihre Verärgerung, denn selbst während er zu ihr
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