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Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen

Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen

Titel: Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Blue da ist. Was Blue anbetrifft, so versucht er, sich keine Sorgen zu machen. Er nimmt an, dass sich Black still verhält und abwartet, bis der richtige Augenblick gekommen ist. Da Blue nur ein einzelner Mann ist, wird ihm klar, dass ständige Wachsamkeit nicht von ihm erwartet werden kann. Schließlich ist es nicht möglich, jemanden vierundzwanzig Stunden am Tag zu beobachten. Man muss Zeit haben, zu schlafen, zu essen, sich um die Wäsche zu kümmern und so weiter. Wenn White gewollt hätte, dass Black rund um die Uhr beobachtet wird, würde er zwei oder drei Männer angestellt haben, nicht einen. Aber Blue ist nur einer, und mehr als das Mögliche kann er nicht tun.
    Dennoch beginnt er, trotz allem, was er sich sagt, besorgt zu sein. Denn wenn Black beobachtet werden muss, heißt das, dass er jede Stunde eines jeden Tages beobachtet werden muss. Alles, was weniger ist als eine ständige Überwachung, wäre so gut wie gar keine Überwachung. Es braucht nicht viel, überlegt Blue, und das ganze Bild ändert sich. Ein einziger Augenblick der Unaufmerksamkeit – ein Blick zur Seite, eine Pause, um sich den Kopf zu kratzen, ein bloßes Gähnen –, und schon ist Black auf und davon und begeht die Schandtat, die er im Schilde führt, was immer es sein mag. Und doch wird es notwendigerweise solche Augenblicke geben, Hunderte, ja Tausende jeden Tag. Blue findet das beunruhigend, denn sooft er sich dieses Problem auch durch den Kopf gehen lässt, er kommt seiner Lösung nicht näher. Aber das ist nicht das Einzige, was ihn beunruhigt.
    Blue ist es nicht gewohnt, still zu sitzen, und durch diese neue Untätigkeit fühlt er sich irgendwie verloren. Zum ersten Mal in seinem Leben stellt er fest, dass er ganz auf sich selbst angewiesen ist, ohne etwas, was er mit Händen fassen kann, was einen Augenblick vom nächsten unterscheidet. Er hat über die Welt in seinem Inneren nie viel nachgedacht, und obwohl er immer wusste, dass sie da war, blieb sie eine unbekannte Größe, unerforscht und daher dunkel, sogar für ihn selbst. Er hat sich rasch über die Oberflächen der Dinge hinwegbewegt und hat, solange er sich erinnern kann, seine Aufmerksamkeit nur diesen Oberflächen zugewandt, die eine wahrnehmend und dann zur nächsten übergehend, und er hat immer Freude an der Welt als solcher empfunden und von den Dingen nicht mehr verlangt, als dass sie da sind. Und bis jetzt sind sie da gewesen, mit lebhaften Konturen im Tageslicht, sie haben ihm deutlich gesagt, was sie sind, und waren so vollkommen sie selbst und nichts sonst, dass er nie vor ihnen haltzumachen oder zweimal hinzusehen brauchte. Nun plötzlich, da ihm die Welt gleichsam entrückt ist und er nicht viel mehr zu sehen hat als einen undeutlichen Schatten namens Black, denkt er an Dinge, die ihm nie zuvor eingefallen sind, und auch das beginnt ihn zu beunruhigen. Wenn denken hier vielleicht ein zu starkes Wort ist, so wäre ein etwas bescheidenerer Ausdruck – nachsinnen oder spekulieren zum Beispiel – nicht ganz fehl am Platz. Spekulieren vom lateinischen speculor, was ich spähe aus, ich beobachte heißt und mit dem Wort speculum, Spiegel, zusammenhängt. Denn während er Black auf der anderen Straßenseite beobachtet, ist es, als blicke Blue in einen Spiegel, und anstatt nur einen anderen zu beobachten, findet er, dass er auch sich selbst beobachtet. Das Leben hat sich für ihn so drastisch verlangsamt, dass Blue nun imstande ist, Dinge zu sehen, die früher seiner Aufmerksamkeit entgangen sind. Die Bahn, die das Licht jeden Tag durch sein Zimmer beschreibt, zum Beispiel, und die Art, wie die Sonne zu gewissen Stunden den Schnee am hinteren Ende der Zimmerdecke reflektiert. Der Schlag seines Herzens, das Geräusch seines Atems, das Blinzeln seiner Lider – Blue nimmt nun diese winzigen Ereignisse bewusst auf, und sosehr er versucht, sie zu ignorieren, sie verharren in seinem Geist wie ein unsinniger Satz, der immer und immer wieder wiederholt wird. Er weiß, es kann nicht wahr sein, und doch scheint dieser Satz nach und nach eine Bedeutung anzunehmen.
    Über Black, über White, über die Arbeit, für die er engagiert wurde, beginnt Blue nun gewisse Theorien aufzustellen. Er entdeckt, dass das Erfinden von Geschichten nicht nur hilft, die Zeit zu vertreiben, sondern für sich selbst ein Vergnügen sein kann. Er stellt sich vor, dass White und Black vielleicht Brüder sind und dass eine große Geldsumme auf dem Spiel steht – eine Erbschaft, zum Beispiel, oder

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