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Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen

Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen

Titel: Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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sagte er zu Brown, sooft ihm der Boss eine sitzende Beschäftigung auftrug. Gib mir etwas, woran ich mich festbeißen kann. Und nun bekommt er als sein eigener Boss einen Fall, bei dem es nichts zu tun gibt. Denn jemanden beim Lesen und Schreiben zu beobachten, heißt in Wirklichkeit, nichts zu tun. Blue könnte nur ein Gefühl dafür bekommen, was geschieht, wenn er sich in Blacks Geist versetzte, um zu erkennen, was er denkt, und das ist natürlich unmöglich. Nach und nach lässt Blue daher seine eigenen Gedanken zu den alten Tagen zurückschweifen. Er denkt an Brown und einige Fälle, die sie zusammen bearbeiteten, und er genießt die Erinnerung an ihre Triumphe. Da war, zum Beispiel, die Redman-Affäre. Sie brachten den Bankkassierer zur Strecke, der eine Viertelmillion Dollar unterschlagen hatte. Blue gab sich damals als Buchmacher aus und verleitete Redman dazu, eine Wette bei ihm abzuschließen. Die Geldscheine wurden zu der Bank zurückverfolgt, der sie fehlten, und der Mann bekam, was ihm zustand. Noch besser war der Fall Gray. Gray wurde seit über einem Jahr vermisst, und seine Frau war schon bereit, ihn als tot aufzugeben. Blue suchte ihn mit allen üblichen Mitteln und Methoden und fand ihn nicht. Dann, eines Tages, als er schon seinen abschließenden Bericht abgeben wollte, stieß er in einer Bar auf Gray, keine zwei Häuserblocks von der Wohnung entfernt, in der seine Frau saß und davon überzeugt war, dass er nie zurückkommen würde. Grays Name war nun Green, aber Blue wusste trotzdem, dass er Gray war, denn er hatte in den vergangenen drei Monaten ein Foto des Mannes mit sich herumgetragen und kannte sein Gesicht auswendig. Es stellte sich heraus, dass Gray unter Gedächtnisschwund litt. Blue brachte ihn zu seiner Frau zurück, und obwohl er sich nicht an sie erinnerte und sich immer noch Green nannte, fand er Gefallen an ihr und machte ihr ein paar Tage später einen Heiratsantrag. Aus Mrs. Gray wurde Mrs. Green, und sie war mit demselben Mann zum zweiten Mal verheiratet, und auch wenn sich Gray nie an die Vergangenheit erinnerte – und sich hartnäckig weigerte zuzugeben, dass er etwas vergessen hatte –, so schien ihn das nicht davon abzuhalten, behaglich in der Gegenwart zu leben. Gray war in seinem früheren Leben Ingenieur gewesen; als Green arbeitete er nun als Barmixer in der zwei Häuserblocks entfernten Bar. Es gefiel ihm, die Drinks zu mixen und mit den Leuten zu reden, die hereinkamen, und er konnte sich nicht vorstellen, etwas anderes zu tun. Ich bin der geborene Barmixer, erklärte er Brown und Blue bei der Hochzeitsparty, und wer waren sie, um daran Anstoß nehmen zu dürfen, was ein Mann mit seinem Leben anfing?
    Das waren die guten alten Zeiten, sagt sich Blue nun, während er zusieht, wie Black in seinem Zimmer auf der anderen Straßenseite das Licht ausschaltet. Voll seltsamer Wendungen und amüsanter Zufälle. Nun, nicht jeder Fall kann aufregend sein. Man muss das Schlechte mit dem Guten nehmen.
    Blue, immer optimistisch, wacht am nächsten Morgen in einer heiteren Stimmung auf. Draußen fällt Schnee auf die stille Straße, und alles ist weiß geworden. Er beobachtet, wie Black an dem Tisch vor dem Fenster frühstückt und noch ein paar Seiten Walden liest. Dann sieht er ihn in den hinteren Teil des Zimmers gehen und im Mantel zum Fenster zurückkehren. Es ist kurz nach acht Uhr. Blue nimmt Hut, Mantel, Schal und Stiefel, zieht sich hastig an und kommt weniger als eine Minute nach Black auf die Straße hinunter. Es ist ein Morgen ohne Wind, so still, dass Blue den Schnee auf die Äste der Bäume fallen hören kann. Niemand sonst ist unterwegs, und Blacks Schuhe haben makellose Spuren auf dem weißen Gehsteig hinterlassen. Blue folgt den Spuren um die Ecke, und dann sieht er Black die nächste Straße hinunterschlendern, so als genösse er das Wetter. Nicht das Verhalten eines Mannes, der flüchten will, denkt Blue, und verlangsamt daher seinen Schritt. Zwei Straßen weiter verschwindet Black in einem kleinen Lebensmittelgeschäft, bleibt zehn oder zwölf Minuten und kommt dann mit zwei sehr vollen braunen Tüten heraus. Ohne Blue zu bemerken, der auf der anderen Straßenseite in einem Hauseingang steht, geht er wieder Richtung Orange Street zurück. Er legt Vorräte für den Sturm an, sagt sich Blue. Dann beschließt er, es zu riskieren, den Kontakt mit Black zu unterbrechen, und betritt den Laden. Wenn es nicht eine Täuschung ist, denkt er, und Black vorhat, die

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