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Die Nibelungen neu erzählt

Die Nibelungen neu erzählt

Titel: Die Nibelungen neu erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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anmerken.
    »Wollt Ihr uns nun mitteilen, in welcher Art und Weise der Kampf stattfinden soll?« wandte er sich mit einer leichten Verbeugung an Brünhild.
    Brünhild ging nahe an Gunther heran, blickte ihm gerade in die Augen.
    »Ihr könnt es Euch noch anders überlegen«, sagte sie.
    Gunther schüttelte nur den Kopf.
    »Es wäre keine Schande«, sagte sie. »Ihr würdet niemandem nachstehen.«
    Gunther schüttelte den Kopf.
    »Einem Kampf auszuweichen, der unmöglich gewonnen werden kann, zeugt nur von Klugheit, auf keinen Fall von Schwäche.«
    Aber Gunther schüttelte wieder nur den Kopf.
    »Ich würde Euch wie einen hohen Gast auf meinem Schloß willkommen heißen«, sagte sie, »wir würden die ganze Nacht hindurch feiern und würden über alles reden können, und Ihr würdet morgen noch am Leben sein. Überlegt es Euch!«
    Gunther schüttelte den Kopf. Aber diese Bewegung war inzwischen so leicht, daß sie kaum mehr wahrgenommen werden konnte.
    »Gut«, sagte Brünhild, »dann soll es so sein, es wird wieder so ausgehen wie immer: Wir werden Euch alle töten.«
    Darauf antwortete Gunther nicht.
    Es wäre Hagens Aufgabe gewesen, der Königin Widerpart zu bieten, er war von Gunther zum Sprecher ernannt worden. Aber auch Hagen schwieg.
    Und Siegfried? Er war ja nur ein niederer Lehnsmann. Er durfte nichts sagen. Jedenfalls nicht, solange er von seinem Lehnsherrn nicht dazu aufgefordert wurde.

Der Wettkampf
     
    »Dann will ich Euch bekanntgeben, wie der Wettkampf ausgetragen wird«, sagte Brünhild.
    Es werde, sagte sie, einen Dreikampf geben, der Freier werde gegen sie zuerst im Speerwurf antreten müssen. Jeder habe einen Wurf. Das Ziel sei der jeweils andere. Sollte der Freier, was mehr als unwahrscheinlich war, überleben und somit als Sieger aus dieser Disziplin hervorgehen, trete er sogleich und ohne sich vorher ausruhen zu dürfen im Steinweitwurf gegen Königin Brünhild an.
    Bei dieser Disziplin nun gehe es ganz einfach darum, einen zentnerschweren Stein so weit wie nur möglich zu werfen, um mehr gehe es dabei nicht. Sollte es, was noch niemand geschafft hat, dem Freier auch diesmal gelingen, die Königin zu besiegen, so habe er sich unverzüglich bei der Weitsprunganlage einzufinden, wo der letzte Wettbewerb stattfindet, nämlich: Weitsprung in voller Rüstung.
    Sollte der Freier auch nur in einer Disziplin unterliegen, wie knapp das Ergebnis auch immer ausfallen mag, so seien sein Leben und das Leben seiner Freunde verwirkt.
    »Noch könnt Ihr umkehren«, sagte Brünhild zu Gunther. »Seht Euch doch an! Ich werde Euch töten. Aber ich möchte es lieber in einem guten Kampf tun. Gegen Euch ist es glatter Mord.«
    »Nein«, sagte Gunther, und seine Stimme war fest, »ich werde gegen Euch antreten.«
    Gunther und die Seinen werden zum Kampfplatz geführt. Den Zuschauern werden ihre Plätze zugewiesen.
    Da, die Überraschung: Siegfried fehlt!
    »Wo ist Siegfried?« fragt Gunther.
    »Das weiß ich doch nicht«, sagt Hagen. »Vielleicht ist das seine Art von Treue.«
    Es bleibt keine Zeit, nach Siegfried zu suchen. Gunther hat sich auf ihn verlassen. Er wußte ja nicht, was für einen Plan Siegfried sich ausgedacht hatte. Er hatte ihm vertraut. Nun war er verloren.
    Gunther sieht zu, wie die Rüstung der Brünhild herbeigeschleppt wird. Drei Männer tragen diese Rüstung. So schwer ist sie. Dann wird der Schild der Brünhild abgeholt, fünf Mann tragen diesen Schild, anders geht’s nicht. Zwei Mann mühen sich am Ende mit dem Speer ab.
    Gunthers Ausrüstung ist dagegen ein Witz!
    Und jetzt? Was ist jetzt? Zwölf Mann transportieren einen ungeheuren Steinbrocken, einen wahren Felsbrocken auf den Kampfplatz!
    »Den soll ich werfen?« fragt Gunther, kaum noch Stimme ist da.
    »Ja«, sagt Hagen, »so lautet die Regel. Den sollt Ihr werfen, mein Herr. Das ist die zweite Disziplin. Falls Ihr die erste Disziplin überleben solltet.«
    Was, wie Brünhild sagte, mehr als unwahrscheinlich sei.
    Mit offenem Mund schaut Gunther zu, wie Brünhild ihren Speer in der rechten Hand wiegt. Mit diesem Speer haben sich zwei starke Männer abgemüht! Und sie, sie spielt damit! Als wär’s eine Bohnenstange! Und Siegfried, der Feigling, hat ihn im Stich gelassen.
    Die Kontrahenten treten auf den Kampfplatz. Der Abstand wird in Schritten gemessen. Erste Disziplin: Speerwurf. Gunther hebt seinen Schild, umklammert seinen Speer. Die Königin hat den ersten Wurf. So also endet ein Königsleben.
    Da spürt Gunther, wie sich eine

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