Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
Fenster einfallende Sonnenlicht schmerzte in ihren Augen, und sie musste blinzeln. Dann fiel ihr ein, wo sie war. Und warum sie in den salon des anges gekommen war.
Bei der Erinnerung an das Erlebte erschien ein träges Lächeln auf ihren Lippen. Sie konnte sich nicht entsinnen, den König jemals derart in Höchstform erlebt zu haben. Diese glühende Leidenschaft war ein weiterer Beweis für seine immer größer werdende Zuneigung. Welches Geschenk hatte er ihr wohl diesmal gemacht?
Sie rollte sich auf die Seite und tastete mit ihrer Hand das Kopfkissen ab, bis sie den kleinen Gegenstand fand. Mit gerunzelter Stirn betrachtete sie das Ding zwischen ihren Fingern. Als sie begriff, dass es eine Veilchenpastille war, stockte ihr Herzschlag. Das ... das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein. In Gedanken verfolgte sie jede Sekunde des vergangenen Liebesspiels. Sie hätte den Unterschied bemerken müssen, sie hätte erkennen müssen, wenn es andere Lippen waren, die ihre Haut küssten, andere Hände, die ihren Körper streichelten, ein anderer Mann, der ihr Lust bereitete.
Ein anderer Mann, der sie einfach bestiegen hatte, als wäre sie eine dahergelaufene Dirne, an der sich jeder bedienen konnte. Angeekelt schleuderte sie die Pastille von sich, als könnte sie damit die ganze vorhergehende Episode aus ihrem Leben schleudern.
Kälte breitete sich in ihr aus. Sie fühlte sich gedemütigt wie noch niemals zuvor. Ihre Zähne schlugen aufeinander, und sie wickelte sich in das Laken, auf der vergeblichen Suche nach Wärme oder Trost. Tränen, geboren aus Scham und Wut, liefen über ihre Wangen.
Er lachte bestimmt über sie. Dieser herausgeputzte Geck aus dem Gefolge des Herzogs von Mariasse, der einmal Abwechslung von seinen männlichen Bettgefährten gesucht hatte. Der Mann, dessen Namen sie nicht kannte. Sie versuchte, sich an sein Äußeres zu erinnern, aber sein Gesicht verschwamm in einem Meer aus bunten Federn, Massen von Spitzen und flatternden Bändern. Wahrscheinlich saß er mit seinen Kumpanen beieinander und erzählte gerade, dass er einfach in ein Appartement spaziert war, in dem die Geliebte des Königs nackt auf dem Bett lag. Dass er seinen Schwanz ohne ein Wort in sie gebohrt hatte. Und dass sie vor Lust geschrien hatte.
Marie vergrub den Kopf in den Kissen. Das setzte ihr am meisten zu. Sie war gegen ihren Willen von einem wildfremden Mann genommen worden und hatte dabei Lust empfunden. Die Tatsache, dass sie ihn für den König gehalten hatte, zählte in ihren Augen nicht. Sie hätte es einfach bemerken müssen.
Ihre klebrigen Schenkel waren der leibhaftige Beweis für ihr Versagen. Ihre Demütigung. Sie fühlte sich schmutzig und benutzt. In ihren Ohren hallten das zotige Gelächter und die unflätigen Bemerkungen der Männer.
Sie konnte sich nie wieder bei Hofe sehen lassen, wenn der Mann seine Geschichte zum Besten gab. Warum hatte sie ihm bloß verraten, wer sie war? Warum hatte sie überhaupt mit ihm gesprochen?
Sie rollte sich auf den Rücken und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Dabei fiel ihr siedend heiß ein, dass die Geschichte auch dem König zu Ohren kommen könnte und dass sie damit auf ewige Zeiten in Ungnade fallen würde. All die Wochen und Monate, in denen sie versucht hatte, sein Wohlgefallen zu erlangen und ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen, waren im Handumdrehen zunichte gemacht worden.
Marie spürte, wie ihre Verzweiflung unbändiger Wut wich. Sie würde nicht zulassen, dass ihre Pläne von einem dahergelaufenen Junker aus der Provinz zerstört wurden. Und sie würde sich rächen - sobald sie den Namen des Mannes in Erfahrung gebracht hatte.
Als sie in ihr Appartement zurückgekehrt war, befahl sie Fanette, den Zuber der Herzogin von Demiant mit heißem Wasser zu füllen und ein Stück der duftenden Marseiller Seife zu bringen. Sie schrubbte an sich herum, als könnte sie ihren Körper die letzten Stunden vergessen machen, und streckte sich dann auf ihrem Bett aus, wo sie bis zum frühen Abend in einem unruhigen Schlummer dahindämmerte.
Abends fand eine Theatervorführung statt, und Marie hatte die Absicht, hocherhobenen Kopfes dort zu erscheinen. Sie würde sich nicht verstecken, sondern den Angriffen die Stirn bieten und nach Möglichkeiten suchen, Rache zu üben. Auf dem Weg zur Aufführung war alles wie immer. Niemand warf ihr anzügliche Blicke zu oder wendete sich von ihr ab. Vielleicht hatte sie sich ja umsonst Sorgen gemacht. Vielleicht hatte der Mann gar
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