Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
kein Interesse daran, sein schändliches Tun verlauten zu lassen.
Bei der Treppe traf sie auf die Mädchen, mit denen sie vormittags Federball gespielt hatte. Sie waren Zeuginnen bei der Übergabe des geheimen Briefchens des Königs gewesen und zwinkerten ihr deshalb schelmisch zu.
»Hattest du einen befriedigenden Nachmittag, Marie?«, fragte Sylvie. Gemeinsam mit der dunkelhaarigen Nadine war sie die Gespielin des Prince de Contard, eines Mittfünfzigers, der am liebsten jungen Mädchen beim Liebesspiel zusah, aber nicht mehr selbst zur Tat schritt. Oder schreiten konnte.
»Danke, es war atemberaubend. Wie immer«, entgegnete sie von oben herab, und die beiden Mädchen rollten die Augen.
»Gott, was würde ich für einen richtigen Mann zwischen meinen Schenkeln geben. Keine Frau kann das ersetzen«, sagte Nadine und wandte sich an das andere Mädchen. »Nimm's nicht persönlich, Sylvie.«
»Tu ich nicht, mir geht's nicht anders.«
Marie hörte dem Geplänkel nur mit halbem Ohr zu. Ihre Blicke wanderten über die Menschen, die durch den Park zu den auf dem Rasen aufgebauten Sitzbänken strömten. Es war nahezu unmöglich, eine einzelne Person auszumachen, doch glücklicherweise erschien der Duc de Mariasse wie üblich mit Gefolge, und da die Männer allesamt exaltierte Kleidung trugen, gab es keine Möglichkeit, die Gruppe zu übersehen.
Ohne Umschweife packte sie Nadines Arm. »Wisst ihr, wer der Mann ohne Bart beim Duc de Mariasse ist?«
Die beiden Mädchen reckten die Hälse. »Nein, aber sind das nicht die Junker, die uns heute beim Federballspiel gestört haben?« Nadine klappte ihren Fächer auseinander. »Sie sind ja in der Tat überdurchschnittlich hübsch. Aber leider ist keiner darunter, der sich für Frauen interessiert. Gott, für diese Spitze würde ich töten.«
Marie unterdrückte ihren Zorn. Am Rand der Menge entdeckte sie Jean Desgrais, einen der Lakaien, der bekannt dafür war, seine Ohren und Augen überall zu haben. Er hatte ihr schon mehrmals interessante Informationen besorgt - gegen bare Münze natürlich. Sie raffte ihre Röcke und lief zu ihm hinüber.
»Mademoiselle Callière, Ihr seht bezaubernd aus«, sagte er mit einer kleinen Verbeugung und fügte sofort hinzu: »Wie darf ich Euch zu Diensten sein?«
»Dort drüben, beim Duc de Mariasse, der Mann im violetten Brokatrock, weißt du, wer er ist? Kennst du seinen Namen?«, fragte sie hastig.
Jean setzte ein sphinxhaftes Gesicht auf. »Möglicherweise.«
»Ich habe kein Geld bei mir. Komm morgen in meine Gemächer, dann entlohne ich dich wie üblich«, erwiderte sie ungeduldig.
Jean ließ sich mit seiner Antwort Zeit. »Gut, nachdem Ihr mich noch nie enttäuscht habt, mache ich eine Ausnahme. Ihr kennt meine Grundsätze?«
»Ja, erst das Geld, dann die Informationen.« Sie trat von einem Fuß auf den anderen und folgte dem bunten Grüppchen mit den Augen. Mittlerweile hatten der Herzog und seine Begleiter die Sitzreihen erreicht und schickten sich an, Platz zu nehmen. »Nun sag doch endlich etwas.«
Jean schnippte ein Stäubchen von seiner Livree. »Chevalier Tristan de Rossac, bedeutungsloser Landadel, Besitzungen im langue d'oc. Der Herzog protegiert ihn.«
»Spielt er? Trinkt er? Irgendwelche unappetitliche Affären oder Geschäfte?«, fragte Marie im Bestreben, eine Schwachstelle an ihrem Opfer zu entdecken.
»Demoiselle Callière, derart intime Informationen kosten extra.«
»Soll sein, aber beantworte meine Frage.«
»Er spielt und er trinkt. Allerdings mit Maßen, er hat am Spieltisch bisher keine Schulden gemacht. Und das andere ... nun, er ist erst drei Tage hier, darüber habe ich vorläufig keine Informationen. Niemand hat sich für ihn interessiert.«
Marie zog die Brauen zusammen und zuckte dann mit den Schultern. Was nicht war, konnte ja noch werden. »Hör dich um, der Abend ist jung. Es soll dein Schaden nicht sein. Morgen Mittag erstattest du mir Bericht, ich will alles wissen, was mit dem Mann zu tun hat. So unwichtig es dir erscheinen mag.«
Jean verbeugte sich leicht. »Ich werde zur Stelle sein, Mademoiselle. Ihr könnt auf mich zählen.«
Sie blickte ihm nach, wie er sich unter die Menge mischte, und lächelte dann ihren beiden Freundinnen zu. Gemeinsam setzten sie sich in eine der hinteren Reihen, um den Herzog von Mariasse samt seinem Gefolge im Blick behalten zu können.
Ihre Aufmerksamkeit wurde kurz abgelenkt, als der König mit der verhassten La Vallière erschien und sich zu seinem Platz
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