Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
teilnehmen können würde. Natürlich war auch das ein Irrtum.
Der König erfüllte ihr zwar ihren Wunsch, aber nachdem sie verbissen Tage und Wochen damit zugebracht hatte, zu erlernen, wie sie graziös und gleichzeitig sicher auf ihrer Stute thronen konnte, musste sie einsehen, dass sie keine Einladungen zu Jagden oder Ausritten der höfischen Gesellschaft erhielt.
Also blieb ihr nichts übrig, als allein auszureiten und auf bessere Zeiten und den nächsten Sommer zu hoffen, um den König als kokette Schäferin endgültig in ihren Bann zu ziehen.
7
Dem nassen April folgte ein heißer Mai, der das Grün im Park und das Verlangen des Königs aufs Üppigste sprießen ließ. Er beorderte Marie fast täglich zu geheimen Stelldicheins, und ihre Hoffnung, endlich, endlich den Platz der verhassten La Vallière einnehmen zu können, erhielt neue Nahrung, da der König immer öfter vor versammeltem Hof das Wort an sie richtete. Sie merkte, dass die Lakaien sie mit größerem Respekt behandelten und die Schneider und Putzmacher ihre Aufträge schneller ausführten.
Maries Stimmung stieg und sie trug ihren Kopf hoch. Sie würde es schaffen. Sie würde die mächtigste Frau des Königreichs werden. Einen Titel samt ausgedehnter Ländereien erhalten. Nie mehr frieren, nie mehr um ein paar elende Münzen feilschen müssen, nie mehr auf Feldern arbeiten. Nie mehr verlacht, verspottet und geschnitten werden.
Der frischerwachte Frühling brachte Adelige aus ganz Europa nach Versailles. Gemeinsam mit den anderen jungen Mädchen, die als Zeitvertreib der hohen Herren im Schloss weilten und die Marie - dem leuchtenden Vorbild - treu ergeben wie Hündchen folgten, beobachteten sie oft den Einzug der Neuankömmlinge und machten heimlich Scherze über die fremdländischen Trachten.
Die Menagerie füllte sich mit exotischen Vögeln und Kleingetier, das Marie mit ihrem weiblichen Hofstaat ebenso gerne in Augenschein nahm wie die zahlreichen fremdländischen Gesandten, die sie dem König als Geschenk darreichten.
Auch Federballspielen auf den samtigen Rasenteppichen des Parks vertrieb die Langeweile für kurze Stunden aus Maries Leben.
Im Gegensatz zu den anderen Mädchen liebte Marie dieses Spiel, weil es ihr die Möglichkeit bot, ihrem aufgestauten Bewegungsdrang nachzugeben und dem trägen Herumsitzen zu entfliehen. Sie jagte ihre jeweilige Partnerin so lange hin und her, bis diese sich atemlos auf den weichen Rasen fallen ließ.
Oft blieben promenierende Höflinge stehen und sahen ihnen zu oder applaudierten besonders gelungenen Schlägen. Deshalb fand sie auch nichts Ungewöhnliches daran, als eine Schar gerade eingetroffener Junker ihrem Spiel zusah.
Gemeinsam mit ihren Freundinnen hatte sie die Neuankömmlinge am vergangenen Abend im Tanzsaal beobachtet. Sie kamen aus dem Süden, aus dem langue d'oc, und bemühten sich nicht, den weichen Akzent in ihrer Sprache zu verbergen. Wie sich schnell herausstellte, gehörten sie zum Gefolge des für seine Zuneigung zum eigenen Geschlecht bekannten Duc de Mariasse und hatten sich herausgeputzt wie die Ochsen in Trou-sur-Laynne, wenn sie von der Sommerweide geholt wurden.
Kichernd kommentierten die Gecken das Spiel und lachten laut, wenn eine Spielerin den Federball verfehlte. Vergebens riefen ihnen die Mädchen zu, sich zu trollen. Sie standen herum, wedelten mit ihren Taschentüchern und bewegten affektiert ihre seidenen Fächer. Und hörten nicht auf, sich über die Spielerinnen und ihre mangelnde Treffsicherheit lustig zu machen.
Schließlich reichte es Marie. Sie schlug einen wohl berechneten Ball mitten in das Grüppchen. Kreischend wie ein Haufen Hühner stoben die albernen Männer auseinander und trafen endlich doch Anstalten, sich zu entfernen.
Einer von ihnen allerdings bückte sich und hob den Federball auf. Langsam, mit wiegenden Hüften, schritt er auf Marie zu. »Demoiselle, mich dünkt, der Schlag verfehlte grob sein Ziel.«
Er trug eine gekräuselte schwarze Perücke, deren Enden ihm bis auf die Brust des fliederfarbenen Justaucorps fielen, unter dem ein hellgrünes Wams sichtbar wurde. Entgegen der vorherrschenden Mode war sein Gesicht glatt rasiert, und seine Augen besaßen jenes tiefe Blau, das dem Porzellan aus den Manufakturen von Limoges zu eigen war.
»Euch dünkt falsch, Monsieur«, entgegnete sie schnippisch und nahm den Ball, den er ihr hinhielt. »Der Schlag saß ganz vortrefflich.«
»Verratet Ihr mir Euren Namen, schlagkräftige Schöne?«, murmelte
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