Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
gerne ich es getan hätte. Und da du dich nach wie vor weigerst, Geld von mir anzunehmen, wäre es das Klügste, diese Mademoiselle Callière zu ehelichen. Fünftausend Livres sind nicht die Welt, aber eine ewig währende Steuerbefreiung ist doch mehr, als man sich gemeinhin erhoffen kann.«
Tris schnaubte wütend. »Der König macht keine Geschenke. Ich soll sie ihm vom Hals schaffen. Möglichst schnell, möglichst unkompliziert.«
»Da könnte etwas dran sein«, pflichtete Henri ihm bei. »Man munkelt, dass er La Vallière überdrüssig ist und auf Freiersfüßen wandelt. Der neue Stern, der im Begriff ist, am Firmament von Versailles zu erstrahlen, soll Athenais de Montespan heißen, auch wenn sie über einen extrem besitzergreifenden, moralinsauren Gatten verfügt, der im Fall des Falles einige Probleme verursachen wird. Natürlich ist der König jetzt daran interessiert, alle Zeugen seiner fleischlichen Lust elegant zu beseitigen.«
Tris zuckte die Schultern. »Nichts könnte mir gleichgültiger sein. Es würde allerdings erklären, warum er mir ein Ultimatum setzt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass sie sein Kind trägt.«
»Soll nichts Schlimmeres passieren«, entgegnete Henri pragmatisch. »Wenn du einen königlichen Bastard aufziehst, kannst du dir des Wohlwollens seiner Majestät gewiss sein.«
»Ach, Henri, das verstehst du nicht. Es geht um Ehre. Um meine Überzeugung. Wenn ich einwillige, habe ich beides verkauft. Für eine Hand voll Livres.«
»Wenn du nicht einwilligst, verlierst du deinen Besitz. Und deine Ehre obendrein. Natürlich bleibt dir dann immer noch deine Überzeugung. Aber die wird dich nicht nähren und kleiden und in kalten Nächten wärmen. Und auch nicht deinen in Schwermut und Wein verliebten Bruder.«
»Troy ist mein Bruder und damit mein Problem«, unterbrach ihn Tris abweisend. »Und ich will dieses Weibsstück nicht in meiner Nähe haben.«
»Du wiederholst dich, Tris. Mir kann es gleichgültig sein. Wenn du deinen Besitz tatsächlich verlierst, bist du bei mir jederzeit willkommen. Das gilt auch für Troy, obwohl ich weiß, dass er meine Neigungen ebenso verdammenswert findet wie unsere Freundschaft, mon cher. Ich biete dir weiterhin jede Summe an, die du benötigst. Kein Geld der Welt reicht aus, um dich dafür zu belohnen, was du für Ghislaine getan hast. Sie war tot, als sie dir begegnet ist. Innerlich wie äußerlich.« Der Herzog sah Tris voller Zuneigung an, ehe sich seine Miene verfinsterte. »Wenn ich den Bastard, der mich gezeugt hat, in der Hölle treffe, wird er dafür bezahlen, was er ihr angetan hat. Meine schöne, kluge, weltgewandte Schwester mit einem crétin wie Plessis-Fertoc zu verheiraten. Welche Verschwendung von Liebreiz und Charme.«
»Du tust ja gerade so, als hätte ich mich auf dem Altar der Nächstenliebe geopfert.« Tris streckte seine langen Beine aus. »Ich mag Ghislaine, ihren Scharfsinn, ihren Witz und nicht zuletzt ihren Körper. Ich genieße unsere Beziehung ebenso sehr wie sie.«
»Mag sein. Für mich zählt, dass du sie glücklich machst. Dass sie wieder lacht, dass sie unter Leute geht, dass sie sich für die Vorgänge um sich herum interessiert. Und dass sie mich regelmäßig besucht, statt sich in ihrem Haus zu vergraben.« Er rührte etwas geriebene Schokolade in seine heiße Milch und blickte sein Gegenüber mit einem langen Blick an. »Niemanden würde ich lieber als Schwager sehen als dich, Tris.«
»Du weißt ...«
»Ja, ich weiß«, unterbrach ihn Henri gereizt. »Plessis-Fertoc wäre längst tot, wenn ich nicht wüsste, dass Ghislaine in diesem Punkt keinen Spaß versteht. Sie hat mir unmissverständlich klargemacht, dass sie mich ans Messer liefert, wenn sie nur den Hauch eines Verdachts hat, dass ich bei einem eventuellen Ableben ihres Gatten die Finger im Spiel hatte. Sie glaubt an göttliche Gerechtigkeit und ewige Verdammnis und den ganzen elenden Sermon«, fügte er kopfschüttelnd hinzu. »Aber wenn du nicht aufgetaucht wärest, hätte ich ihn über kurz oder lang ins Jenseits geschickt, egal, wie die Konsequenzen für mich ausgesehen hätten.«
»Das glaube ich dir aufs Wort, Henri. Du kannst deine Einstellung nicht unter Federn und Perücken verstecken, zumindest nicht vor mir.«
Henri strich mit der flachen Hand über sein kurz geschorenes Haar. »Ich danke für dein Vertrauen. Allerdings würde mein Heldenmut nicht so weit gehen, den Mann zu fordern, schwachsinnig oder nicht. Mir schwebte eher ein
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