Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
tatsächlich entschloss, sie zu heiraten. Sie war so explosiv wie ein bengalisches Feuer, ein Kind, das eine Waffe in der Hand hielt, von deren Gefährlichkeit es keine Ahnung hatte.
Einmal hatte sie es geschafft, ihn bis in die Tiefen seiner Seele zu entblößen und in den Staub zu treten, aber ein zweites Mal würde ihr das nicht gelingen. Dafür würde er sorgen.
14
Marie wanderte rastlos in der Kapelle auf und ab. Der Priester saß in der ersten Reihe und zog die Perlen des Rosenkranzes durch die Finger, während sich seine Lippen lautlos bewegten. Neben ihm hockte der Advokat, ein ältlicher Mann mit einer pompösen Perücke, der es nicht der Mühe wert gefunden hatte, sich ihr vorzustellen.
Sie wusste nicht, ob der Chevalier erscheinen würde. Seit der Audienz des Königs hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Die Idee, ihm eine Nachricht zu schicken, hatte sie verworfen. Sie scheute eine Aussprache. Daher hatte sie mit sich selbst abgemacht, dass sie ihn heiraten würde, falls er auftauchte. Zum Reden blieb später Zeit genug. Wenn nicht, dann konnte sie nur mehr ihre Sachen zusammenpacken und das Schloss am nächsten Morgen in Richtung Paris verlassen. Weiter wollte sie im Augenblick nicht denken.
Ihre Absätze klickten auf dem Marmorboden, und dieses Geräusch zerrte an ihren Nerven. Trotzdem konnte sie sich nicht überwinden, auf den gepolsterten Holzbänken Platz zu nehmen.
Sie blickte zu den bunten Glasfenstern. Als sie die Kapelle betreten hatte, ließ das Sonnenlicht die Farben leuchten. Jetzt waren sie stumpf und ein Messdiener begann, weitere Kerzen zu entzünden. Sie wusste nicht, wie lange der Priester warten würde, und wie lange sie bereits hier auf und ab lief.
Ein Knarren verriet, dass die Tür der Kapelle geöffnet wurde. Marie hielt in ihrem Herumwandern inne und blickte den Mittelgang entlang. Unbewusst schlang sie die Finger ineinander.
Der Chevalier trug denselben Anzug wie bei Madame Dessante. Keinen Hut, keine Perücke, keinen Degen, keine Handschuhe. Er blieb einen Schritt von ihr entfernt stehen, und der Gestank von Schnaps nahm Marie den Atem. Sie kämpfte darum, nicht zurückzuweichen, sondern straffte die Schultern. Ohne ein Wort sah sie ihn an.
Er verbeugte sich nicht, begrüßte sie nicht, nahm nicht ihre Hand. Stattdessen sagte er mit einer Stimme, die in der Stille der Kapelle dumpf hallte: »Bringen wir es hinter uns, Mademoiselle Callière.«
Die Worte verschliffen sich ineinander, die Haut über seinen Wangenknochen glühte und seine Augen wirkten glasig. Er war nicht einfach betrunken. Er war sternhagelvoll.
Angesichts ihrer Musterung kräuselten sich seine Lippen spöttisch. »Zufrieden mit dem, was Euch der Handel einbringt, Mademoiselle?«
Marie wandte sich ab und blickte zu dem Priester, der den Rosenkranz an seinem Gürtel befestigte. Lautlos verließ er seinen Platz und ging zum Altar. Die Ministranten hörten auf, die Kerzen zu entzünden, und kamen ebenfalls nach vorne.
Marie behielt von der Zeremonie keine Erinnerung. Dankbar registrierte sie irgendwann, dass es vorbei war und der Priester sie mit dem Advokaten in die Sakristei bat. Sie machte ihre Kreuze an der entsprechenden Stelle und sah zu, wie der Chevalier schwungvoll seinen Namen auf das Papier kritzelte. Dann reichte ihm der Advokat eine andere Urkunde. »Das hier ist der königliche Erlass, der Euch und alle nachfolgenden Generationen von der Steuerleistung befreit, Chevalier de Rossac, es ...« - der Chevalier unterschrieb, während der Mann weitersprach - »... wurde eine Klausel beigefügt. Wenn Ihr sie zur Kenntnis nehmen wollt: Sollte Madame de Rossac vor ihrem 35. Geburtstag sterben, wird die Steuerbefreiung null und nichtig.«
Marie brauchte einen Augenblick, um Madame de Rossac mit sich selbst in Verbindung zu bringen. Dann begriff sie, dass der König ihr doch noch ein Geschenk gemacht hatte. Ihr Ehemann konnte sie nicht bereits in der Hochzeitsnacht meucheln, sosehr er sich das auch wünschen mochte.
Der Kopf des Chevaliers ruckte hoch. »Ich muss sie sechzehn Jahre lang ertragen?«
Der Advokat nickte und Marie, die den unbändigen Drang verspürte, in helles Lachen auszubrechen, entgegnete: »Oh nein, Ihr musst mich nicht sechzehn Jahre lang einfach nur ertragen. Ihr müsst dafür sorgen, dass ich mich die nächsten sechzehn Jahre bester Gesundheit erfreue, Chevalier de Rossac. Und mein Leben mit Eurem Leben schützen.«
Der Blick, mit dem er sie ansah, vertrieb das letzte Fünkchen
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