Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
»das dürft Ihr mir nicht antun. Alles, nur das nicht. Ich kann Euch nicht verlassen, ich ...« Ihre Stimme brach. »Wo soll ich hin?«
»Zu Eurer guten Tante«, antwortete der Chevalier an Stelle des Königs.
Marie blickte ihn benommen an. Der Zynismus in seinen Worten entging ihr völlig. »Das kann ich nicht. Sie nimmt mich nicht mehr bei sich auf, egal, was passiert. Ich bin für alle Zukunft auf mich alleine gestellt, hat sie mir bei ihrer Abreise gesagt.«
»Dann freundet Sie sich besser mit dem Gedanken an, einen Bauern zu heiraten«, sagte der König.
»Ich will sie nicht heiraten«, meldete sich der Chevalier entschieden zu Wort. »Weder für fünftausend noch für fünfzigtausend Livres. Sie ist durchtrieben, skrupellos, verschlagen und unersättlich. In jeder Beziehung.«
»Das hätte Er sich überlegen müssen, bevor Er sie bestiegen hat. Ich bin der Diskussion müde. Übermorgen um fünf Uhr nachmittags werden in der Schlosskapelle ein Priester und ein Advokat warten. Im Falle einer Eheschließung übergibt er Ihm eine Schatulle mit fünftausend Livres und die Urkunde für den Erlass der Steuern für die nächsten zehn Jahre.«
Während der Chevalier noch immer den Kopf schüttelte, konnte sich Marie die Frage nicht verkneifen: »Und was bekomme ich?«
Der König maß sie mit einem Blick von oben bis unten, der ihr das Blut zurück in die blassen Wangen trieb. »Einen guten Namen und den Status einer verheirateten Frau. Beides wird Sie aus eigener Kraft nicht mehr erreichen, wenn ich Sie aus Versailles verbanne.«
Marie zweifelte nicht an der Wahrheit dieser Worte. Niemand würde sich um sie kümmern. Sie hatte keine Zuflucht, keine Freunde, kein Geld. Sie war so sehr davon überzeugt gewesen, für immer in Versailles bleiben zu können, dass sie die letzten Monate nicht dazu genutzt hatte, Netze zu weben, die sie in so einem Fall auffangen konnten.
Sie blickte den Chevalier von der Seite an. Er war der Letzte, mit dem sie einen Tag, geschweige denn den Rest ihres Lebens verbringen wollte. Aber sie hatte keine Wahl mehr. Und seiner wütenden Miene nach zu schließen, hatte sie nicht einmal diese Wahl.
»Wenn ich nur eine Minute darüber nachdenken soll, will ich wesentlich mehr als zehn Jahre ohne Steuern«, sagte der Chevalier.
»Er überspannt meine Geduld und Sein Glück«, bemerkte der König mit einem Anflug von Verärgerung. »Was will Er noch?«
»Steuerbefreiung für mich und alle nachfolgenden Generationen.«
Der König schüttelte den Kopf und strich mit dem Zeigefinger über seinen Moustache. »Warum sollte ich darauf eingehen?«
»Weil Ihr sie loswerden wollt, Sire. Obwohl ich nicht verstehe, warum Ihr Euch überhaupt solche Mühe damit macht.«
»Das überrascht mich nicht. Von einem Charakter wie Seinem habe ich nichts anderes erwartet. Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst. Ich sorge für Frauen, die mir ihre Jungfernschaft geschenkt haben. Ich sorge für die Kinder, die sie mir gebären. So einfach ist das.«
Marie hörte, wie der Chevalier geräuschvoll einatmete. »Ist sie schwanger?«
Der Blick des Königs richtete sich auf sie. »Ist Sie guter Hoffnung?«
Marie versuchte blitzschnell eine Entscheidung zu treffen. Vielleicht war das die Rettung. Wenn sie ein Kind erwartete, würde der König seine Entscheidung möglicherweise noch einmal überdenken. Oder auch nicht. Die Stimmung hier im Raum ließ keine Rückschlüsse auf sein Handeln zu.
Sie senkte den Kopf und hoffte, dass sie das Richtige tat. »Ich weiß es nicht.«
»Fantastisch«, schnaubte der Chevalier neben ihr. »In Anbetracht dieser Umstände ist eine Steuerbefreiung für alle Nachkommen, die den Namen Rossac tragen, wohl nicht zu wenig verlangt, Sire.« Die Anrede spuckte er aus wie eine Beleidigung.
Der König nahm die weiße Gänsefeder, die vor ihm lag, vom Tisch und zog sie durch seine Finger. »Diese Debatte ermüdet mich. Ich will nicht darauf eingehen, dass das Kind, das Mademoiselle Callière eventuell unter ihrem Herzen trägt, ebenso das Eure sein könnte. Ich bin König, kein Krämer. Ich gewähre Ihm und allen Seinen Nachkommen Steuerfreiheit, im Falle Er sie zur Frau nimmt. Alles andere ist gesagt. Wie immer Seine Entscheidung ausfällt, in drei Tagen verlässt Er mein Haus. Und Sie ebenfalls. Die Unterredung ist beendet. Ihr dürft euch entfernen.«
13
Marie lag auf ihrem Bett und starrte blind vor sich hin. Sie konnte noch immer nicht glauben, wie schnell sich das Blatt gewendet
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