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Die niederländische Jungfrau - Roman

Die niederländische Jungfrau - Roman

Titel: Die niederländische Jungfrau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Treffer des anderen zählt dann nicht. Dieser muß sich zuerst verteidigen, bevor er zum Gegenangriff übergeht. Gräßliche Spielverderberei! Wie oft habe ich meine Maske in die Ecke gepfeffert, wenn der Schiedsrichter entschied, daß mein phantastischer Treffer nicht zähle, wohl aber der schlaffe Stoß meines Gegners, nur weil der seinen Arm eine Idee früher gestreckt hatte? Plötzlich aber, mitten in einem Gefecht, war mir diese komische Regel liebgeworden. Mein Gegner war mir in allem überlegen (ein Kerl, zwei Köpfe größer, dreimal so alt wie ich, als er mir die Hand gab, hatte er die Stirn, seine Lippen gerührt zu spitzen), und ich kämpfte wie ein Tier, einen Schleier vor den Augen, um mich schnappend, wenn es mir nicht gelang, seine Absichten zu erraten. Ich lag bereits zehn Punkte zurück, als ich plötzlich haarscharf, durch die Maske hindurch, sah, wie er seine Waffe hielt. Lässig, die letzten drei Finger vom Griff gelöst. Er langweilte sich! Noch bevor er sich zum Ausfall entschloß, hatte ich beschlossen, seine Klinge hinunterzuschlagen. Das Gefecht endete unentschieden. Das bedeutete nicht, daß ich mich beim Fechten nie mehr auf meine Reflexe verlassen würde, denn die besten Angriffe sind selten überlegt.
    »Ei, mein Fräulein!«
    Heinz winkte. Er hatte das Pferd losgebunden und führte es über das Feld. Die Stute ging gemächlich neben ihm her, als passe sie ihre hoheitsvollen Schritte seinem Getrotte an. Sie wunderte sich nicht über seine Popeligkeit oder die der Menschen im allgemeinen, darüber, wie unbeholfen sie sich auf ihren zwei Stelzen fortbewegen. Natürlich konnte sie ihm den Halfterstrick mit einem Ruck aus der Hand reißen, doch das tat sie nicht, weil die Notwendigkeit dazu mit viel Geduld aus ihrem Pferdekopf gelöscht worden war. Mach dir keine Mühe. Dennoch hätte ich sie gern einmal steigen sehen, wobei sie ihre ganze Wut hätte zusammennehmen müssen, um sich auf den Hinterbeinen aufzurichten und ihren samtenen Bauch zu zeigen.
    »Weißt du, welche Rasse das ist?« rief Heinz, als er näher kam. »Trakehner. Das edle preußische Soldatenpferd. Vor zweihundert Jahren begann König Friedrich Wilhelm I. mit der Zucht, und bis heute gibt es keine härtere Rasse als diese, das beste Pferd, das sich ein Husar nur wünschen kann. Zäh und trocken, schau dir bloß mal diese Lenden an.«
    Megaira starrte geistesabwesend vor sich hin. Pferde scheinen drei Stunden pro Tag zu schlafen, zusammengezählte Minuten zwischendurch, wenn sie nicht gerade die Flucht ergreifen oder zumindest mit halbem Auge in Richtung Entkommen schielen.
    »Schau, wie quadratisch sie dasteht«, sagte Heinz. »So hat man ihr das beigebracht, alle vier Beine genau unter dem Rumpf. Hoch und korrekt. Ein Wildpferd steht nicht so, das steht von Natur aus krumm und schief. Trakehner, eine vorzügliche Rasse, aber bei einem schiefen Beinstand hätten wir sie doch töten lassen. An schlechte Fohlen verschwendet man keine Zeit. Wir müssen genauso grausam sein wie die Natur, sonst sind wir dem Tode geweiht. Weißt du, wer das gesagt hat?«
    Ich schüttelte den Kopf. Unter meinen nackten Füßen spürte ich das Wasser durchs Gras hochkommen, ich hatte keine Lust, hierzubleiben und im Matsch zu versinken, während Heinz ohne Punkt und Komma weitertönte.
    »Der Führer. Ein Staat muß keine wirtschaftliche Organisation sein, sondern ein lebendiger, nationaler Organismus, der seine eigene Gattung in Ordnung hält. Sieh dir nur Megaira an, was für ein Prachtexemplar das ist.«
    Sie vergrub ihre Nase an seiner Brust. Es kam ihr gelegen, daß sie eingefallen war, daß seine Rippen schief waren wie der Rest seines Körpers. Man sieht prachtvolle Tiere, Hunde oder Pferde, so oft an der Leine eines unansehnlichen Herren gehen, und sie schämen sich keine Sekunde lang. Umgekehrt schon. Herrchen entschuldigen sich für einen gebrechlichen Vierbeiner, sagen, es werde Zeit für die Spritze, während sie ihnen abends, wenn niemand es hört, in ihre großen, weichen Ohren flüstern, sie seien die schönsten und liebsten auf der ganzen Welt. Menschen sind schrecklich! Ob Megaira wußte, daß sie nur das Echo eines anderen Pferdes war, ausgewählt wegen ihrer Ähnlichkeit mit Fidèle?
    Ich mußte an die Zwillinge denken, die auseinanderwuchsen. Nur wenn sie schliefen, waren sie sich noch gleich. Am Tag zuvor hatte ich mich angeschlichen, als sie ineinander verschlungen auf dem Diwan lagen. In ihrem unbekümmerten Schlaf wirkten

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