Die Niete Im Bett
meine damit Sarah und Enrico, obwohl ich nicht glaube, dass Letzterer das auf der Karte hat.
Sarah schüttelt den Kopf. Es sieht irgendwie energisch aus. Ohne noch etwas zu Enrico zu sagen, beende ich das Telefonat. Irgendwas stimmt hier doch nicht. Also, so richtig nicht. Irgendwas ist hier SEHR verkehrt. Also, so richtig verkehrt.
Sarah nimmt nämlich jetzt ihre Tasche und holt ihr Handy raus.
»Das war’s.« Sie tippt eine Nummer ein, und ich bin mir, aus welchen Gründen auch immer, sicher, ganz sicher, dass es nicht der Lieferservice ist, den sie anrufen will.
»Was war was?«, frage ich und merke, dass meine Stimme ein bisschen so zittert wie die eines Konfirmanden, der sich vor der versammelten Verwandtschaft für die ganzen Geldgeschenke und eine Goldmünze bedanken muss und dabei auch noch gütig lächelnd fotografiert wird.
»Mit uns«, antwortet Sarah ganz lässig, sagt »Bitte einen Wagen zum Schulterblatt 38« ins Handy und steckt es dann wieder in die Tasche.
»Es ist aus. Mit uns«, erklärt sie und sieht mich noch einmal mitleidig an. Dann verlässt sie meine Wohnung.
Ich Vollidiot höre mich noch »Aber wir haben doch noch gar nicht gegessen« sagen, bevor ich nichts mehr sage, sondern nur blöde rumstehe und nichts, überhaupt nichts, absolut gar nichts auch nur ansatzweise kapiere.
Einige Sekunden später rufe ich sie auf ihrem Handy an, aber sie geht nicht ran. Sie geht auch nach ein paar Minuten nicht ran. Auch nicht nach einer Stunde. Ich spreche wirres Zeug auf ihre Mailbox, aber es kommt kein Rückruf.
Sarah
Mein Gott, bin ich froh. Nein, froh ist gar kein Ausdruck, ich bin erleichtert , ich bin frei , ich hab es endlich getan , mein Gott, bin ich froh. Froh, froh, so froh .
»Bitte da vorne rechts in die Oderfelder Straße. Ja, hier können Sie anhalten.«
Und gleich bestell ich mir die Nummer 17 vom Thai. Und schaue eine Folge Grey’s Anatomy . Oder auch zwei. Oder drei. Oder hundert .
Leo
Ich starre auf die Tabelle, die ich in den letzten beiden Stunden erstellt habe, während ich anderthalb Flaschen Rotwein weggesoffen habe. Das muss ein Irrtum sein.
Ist es aber nicht.
Ich bin jetzt 32 Jahre alt und hatte, von Lara Struppenfrick, die mir damals im Sandkasten ewige Liebe geschworen hat, und Sabrina Hielscher, mit der ich während einer Jugendfreizeit Blutsbrüderschaft geschlossen habe, sowie von diversen Dreistundenbeziehungen mal abgesehen, exakt sieben längere. Also Beziehungen.
Und keine, nicht eine , dauerte länger als sechs Wochen.
Was läuft hier schief?
Wieso jetzt auch noch Sarah? Es ist doch gar nichts passiert. Ich habe sie weder beleidigt noch geschlagen, noch habe ich zu ihr gesagt, dass sie fett ist oder so, weil sie das auch wirklich nicht ist. Davon abgesehen ist es ja unhöflich, so etwas zu sagen, selbst wenn es so wäre.
Nichts passiert. Rein gar nichts. Es war ein ganz normaler Abend.
Ich glotze wieder auf mein Gekrakel und fühle mich mies. Wie ein Drücker, der gerade neun Zeitschriftenabos an eine blinde Frau verhökert und das Datum für den Widerruf vordatiert hat.
Nein, ich fühle mich mieser. Ich fühle mich wie ein Querschnittgelähmter, der aufgrund eines zu hohen Bordsteins in seinem Rollstuhl nicht über die Straße kommt, von Passanten ignoriert, vom Asphalt geächtet. Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, stelle ich mir plötzlich vor, wie eine langbeinige Traumfrau an mir vorbeikommt, mich anlächelt und sagt: »Stellen Sie sich nicht so an, es gibt Schlimmeres.«
Wieder wähle ich Sarahs Nummer, jetzt ist das Handy ausgeschaltet. Nicht dass da was passiert ist. Ich stammle etwas von »Bist du im Krankenhaus, hattest du einen Unfall?« auf die Box und lege dann auf. Vielleicht will sie ja nicht mit mir reden.
Was mache ich falsch?
Ich gieße mir noch ein Glas Rotwein ein. Es kann natürlich sein, dass ich immer auf den gleichen Frauentyp hereingefallen bin. Möglicherweise waren alle meine Exfreundinnen kaltherzige, karrieregeile Schlampen, die mich nur als Sprungbrett benutzt haben, um beruflich weiterzukommen.
Nein. Judith, mit der ich vor Sarah zusammen war, ist in ihrem Job als Krankenschwester aufgegangen, was ich nie wirklich begreifen konnte. Ich meine, klar ist es toll, einen Beruf zu haben, der einen total ausfüllt, aber Judith hat sogar an Weihnachten freiwillig Nachtschichten übernommen, damit die armen, alten, kranken Menschen jemanden zum Reden hatten. Judith war nicht im Geringsten karrieregeil, im Grunde
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