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Die Nirgendwojagd

Die Nirgendwojagd

Titel: Die Nirgendwojagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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voranzutreiben.”
    „Vielleicht verkündet der Wan, daß sie das Kriegsmahl bekommen, bevor wir gegen den Stachel ziehen. Es ist auch eine Art Krieg, nicht wahr?”
    „Es ist das, was Wan und Serk sagen.” Sie schaute vom Dorf weg und starrte auf die Lichtung der Nafa am Rand der Bäume -wie eine kahle Stelle im Fell eines räudigen Tieres. „Ich bin weiter gelaufen als ich wollte.”
    „Vielleicht glaubst du mir jetzt. Wegen der Nafa, meine ich.”
    „Nicht sie war es, vor der ich geflohen bin.”
    Rihon schnaubte und sprang auf und blickte verächtlich auf sie herunter. „Du willst es einfach nicht zugeben. Warum bist du dann so gerannt, he? Warum bist du gerannt?”
    Roha schniefte. „Ich wollte. Deshalb, Bruder. Ich werde rennen sooft ich will und wann ich will. So!”
    Rihon wandte ihr den Rücken zu und ließ seine Blicke über die Bäume unten schweifen. Plötzlich ließ er einen erschreckten Ausruf hören und hob die Hand. „Sieh nur.” Er lief zu ihr zurück und ergriff ihren Arm. „Das Dorf, Roha. Sieh nur.”
    Männer und Knaben sammelten sich auf dem Platz vor dem Geisterhaus, wimmelten umher, schwenkten Speere.
    Roha machte einen tiefen Atemzug. „Der Baum. Siehst du den Friedensbaum? Haben sie ihn ausgegraben?”
    „War keine Zeit.” Rihon spähte hin und versuchte, Einzelheiten zu erkennen. „Kein Feuer. Ich sehe keines.”
    Das wimmelnde Gedränge brach auseinander und ergoß sich in kleinen, dahinjagenden Haufen aus dem Dorf hinaus.
    Roha drückte den Arm ihres Bruders. „Nuggar-Jagd, Zwilling Wir gehen, ich weiß es, wir müssen gehen. Sie werden ein Karram für uns abhalten, unser eigenes Kriegsmahl.” Ihr Blick schweifte weiter, zu den brodelnden Wolken, die den Boden des fernen Tal-beckens verbargen, und sie fröstelte, als ihre freudige Erregung versiegte.
    „Das Nebelland.”
    Roha

3
    Roha brach den Knochen auf und saugte das Mark heraus. Rihon lag neben ihr ausgestreckt, einen Kürbis voll Pika-Bier in die Hände geschmiegt, der auf seinem Brustkorb stand und sich mit jedem langsamen Atemzug hob und senkte. Sein Kopf war auf ein gerundetes Stück Holz gestützt; schlaftrunken belächelte er das Tanzen rings um das Feuer. Roha fuhr mit der Zunge über die Knochensplitter, ließ sie dann ihrem Bruder auf den Kopf regnen. Lachend schüttelte er sie ab und hob den Kürbis, um ihr einen Schluck anzubieten.
    Sie schluckte ein wenig von der modrigen, bitteren Flüssigkeit und fühlte die Gärung in ihrem Blut kribbeln. Sie war zu müde, zu gesättigt vom Fleisch und vom Trinken, als daß sie irgend etwas hätte tief berühren können; selbst der Gedanke an das morgige Abschiednehmen fiel ihr leicht. Sie durchsuchte den Haufen abgenagter Knochen auf der Platte, die neben ihren Knien auf dem Boden stand, fand einen Knochen, an dem noch Fleischfetzen hingen. Sie riß einen Bissen ab und hielt den Rest Rihon hin. Er gähnte, lächelte, nagte den Knochen ab.
    Eine Jungen-Horde rannte vorbei, brüllend, kleine Bogen mit Pfeilen ohne Spitzen schwingend, kurze Stöcke mit feuergehärteten Spitzen, so trieben sie quietschende, kichernde Mädchen vor sich her, balgten mit ihnen herum, ließen sie immer wieder ausbrechen, um sie gleich darauf um so entschlossener zu verfolgen. Sie rannten und schlängelten sich zwischen den Pfählen hindurch, auf denen die Häuser errichtet waren. Jenseits des erlöschenden Feuers formierten sich kleine Mädchen zu einem Kreis, stampften rundherum und sangen die Sah-sah-Melodie. Ganz in der Nähe führten ältere Mädchen einen Kreuztanz auf und wiegten sich zu dem Rhythmus der anderen, die in einem Kreis um die Tänzerinnen hockten und mit trunkenen Händen einen immer wilderen Takt schlugen. Vor dem Geisterhaus saßen die meisten der Erwachsenen um Gawer Hith herum und lauschten den alten Geschichten, die sie herunterbetete. War eine beendet, so riefen sie die nächste auf, die sie hören wollten, wobei sie der alten Frau immer wieder Kürbisse mit Pika-Bier aufdrängten, bis sie schwankte und blinzelte und nur mehr von den jungen Armen ihrer Lehrmädchen aufrecht gehalten wurde. Ihre Stimme war kräftig, trotz ihres Alters.
    Niemals ließ sie ein Wort aus, obgleich sie betrunken war. Spät am Nachmittag wurde ihre Stimme schließlich heiser, und die Amar lie
    ßen sie aufhören. Sie rollte sich auf dem Boden zusammen, dort, wo sie gesessen hatte, und schlief ein und schnarchte fast genauso laut, wie sie gesungen hatte.
    Der Tag nahm seinen langsamen

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