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Die Nirgendwojagd

Die Nirgendwojagd

Titel: Die Nirgendwojagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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zwischen dem Boden und dem Nebel über ihren Köpfen.
    „Du solltest schlafen.” Rihon streichelte Rohas Arm. „Die Wächter werden jetzt besser aufpassen.”
    „Meinst du?”
    „Ich weiß es. Komm.” Er führte sie zu ihrem zurückgelassenen Kleiderbündel. Er band es auf und breitete das Leder neben seinem aus. Dann ließ er sich nieder und zog sie mit sich hinunter, bis sie neben ihm ausgestreckt lag, den Kopf auf seinen Oberarm geschmiegt, ihren Körper zwischen der Krümmung seines Armes und seiner Seite eingepaßt.
    Ein paar Minuten später fühlte sie sich warm und entspannt, aber noch immer nicht schläfrig. Sie hörte, wie sein Atem gleichmäßig, spürte, wie seine Muskeln locker wurden, als er einschlief, doch sie konnte ihm noch immer nicht in den Schlaf folgen. Sie starrte zu dem nebelverhangenen Firmament hinauf. Feuerkugeln, dachte sie. Drei Stück, kleiner und langsamer als der fallende Stachel. Sie sind heruntergekommen … Wo? Hinter uns. Bei der Heimstatt der Nafa. Die Nafa. Eines Morgens war sie da, plötzlich da, aus dem Nirgendwo ist sie hierher gekommen. Zum ersten Mal dachte Roha darüber nach, woher die Nafa wohl gekommen war, dieses Wesen, das so anders war als alles andere, was sie kannte. Woher ist sie gekommen? Roha fuhr mit der Zungenspitze über trockene Lippen. Ist sie auf Feuer vom Himmel heruntergeritten?
    Dieser Gedanke kam ihr ganz plötzlich und traf sie wie ein Fausthieb mitten ins Gesicht. Sie atmete hastig ein, gebannt von dessen Neuheit, dessen Schrecken. Es war ein furchtbar beunruhigender Gedanke. Sie drückte die Augen fest zu und kuschelte ihr Gesicht an Rihons Seite. Er mag die Nafa nicht. Er hat sie nie gemocht. Sie atmete tief, denn sie fand Gefallen an dem intensiven, salzigen Ge ruch seines Körpers. Vielleicht hat er wirklich recht, vielleicht ist sie ein Dämon. Sie stellt immerzu Fragen. Als wüßte sie nicht, wie die Leute leben. Warum weiß sie nicht, wie Leute leben ? Als sie kam…
    Am zweiten Tag, nachdem die Nafa erschienen war, war Roha aus dem Schutz der Bäume hervorgeschlichen und hatte die neue Mauer angestarrt. Das seltsame Geschöpf saß auf der Mauer und beobachtete sie. Es war zart, ein helles Braun - wie der verwitterte Sandstein hoch am Berghang. Eine dichte Mähne aus blauschwarzem Fell wuchs auf seinem Rücken, Fell, das sich leicht im Wind bewegte. Es war in etwas Langes gehüllt, wie ein aus dem Himmel geschnittener Streifen. Roha war von dem schimmernden Blau fasziniert. Sie wollte es berühren, wollte wissen, ob es tatsächlich so glatt und weich war, wie es aussah. Sie ging langsam darauf zu, obwohl Rihon sie zurückzuhalten versuchte. Sie riß sich los und na herte sich ihm langsam. Es saß sehr still auf der Mauer und wartete mit einer Geduld, die ihr ungestüm klopfendes Herz besänftigte. Es sprach, und sie wußte, daß es ein denkendes Wesen war. Eine ruhige Folge von Tönen wehte aus dem Mund. Sie hatten keine Bedeutung für Roha, doch sie kühlten die Hitze in ihrem Blut. Sie hatte schon Schlüpflinge gehalten, wenn deren Mütter für ein paar Augenblicke Freiheit brauchten, sie hatte ihr winziges Summen an ihrer Haut gespürt, gefühlt, wie es so tief in sie eindrang, daß sie weinen mußte, ohne zu wissen, warum —
    genauso waren die Töne der Fremden für sie.
    Fragen, immer Fragen, dachte Roha. Warum führt ihr Krieg, wenn die Nuggar schwärmen? Wie brennt ihr neue Lichtungen aus, wenn sich die alten verbraucht haben ? Warum hat man jedesmal die Häuser verbrannt, wenn man das Dorf verlegt hat? Warum bauen sie ihre Häuser auf Pfählen ? Was halten sie von dem Mambila-Netz? Erzähl mir euere Geschichten. Wie ist die Welt entstanden?Fragen. Fragen.
    Fragen.
    Roha seufzte und zog dann das obere Ende des Ledertuches über den Kopf. In der warmen Finsternis ließ sie die Augen zufallen.
    Immer langsamer kreisten die Worte durch ihren müden Verstand, und schließlich tauchte sie in einen tiefen Schlaf hinein.
    Roha

5
    Drei Tage lang kämpften sich die Amar durch das Nebelland. Die Schwebenden Geister wurden immer hartnäckiger in ihrem Schwärmen, und die Amar fanden wenig Schlaf, verbrachten ihre Tage damit, nach Blasen zu schlagen und sich unter suchenden Ranken hinwegzubücken. Ein Amar tauchte in einen dichten Busch hinein und starb mit hundert winzigen Pfeilen in seiner Haut. Ein anderer trat auf einen Flecken leuchtend grünes Gras und versank, bevor er herausgezogen werden konnte.
    Am Morgen des dritten Tages umrundete

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