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Die Nirgendwojagd

Die Nirgendwojagd

Titel: Die Nirgendwojagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Boden emporkroch.
    „Roha!” Rihons Stimme riß sie aus ihrer Lähmung. Sie eilte zum Lagerplatz zurück und achtete sorgfältig darauf, wohin sie ihren Fuß setzte. Sie haßte dieses Land, dieses trügerische, gefährliche Land.
    Das Lagerfeuer war ein fröhliches Prasseln in der Mitte der Lichtung. Mehrere Amar hatten sich abseits hingesetzt, wo sie die Tiere, die von den Jägern erbeutet worden waren, häuteten und ausweideten.
    Roha blickte zu ihnen hinüber und fragte sich, ob an diesem Ort überhaupt etwas gesund sein konnte. Sie war gleichermaßen besorgt und erleichtert, einen ausgezehrten Nuggar und einige Kissuni zu erkennen, kleine, fleischige Hüpfer mit runden, beweglichen Ohren und massigen Hinterläufen. Furchtsam blickte sie auf das straffe, rote Fleisch und grübelte darüber nach, ob das unter seiner Vertrautheit nicht auch eine Falle verbergen konnte. Die Jäger sahen unbesorgt aus. Einer summte leise, während er mit seinem Messer, einem gro
    ßen Kissun, das Fell abzog. Sie entfernte sich langsam, ging zu Rihon, der am Feuer stand, seinen Speer hielt und recht selbstzufrieden aussah.
    „Ich habe einen Nuggar erlegt.” Er zeigte ihr die Blutflecken an der Steinspitze des Speers und an dessen Schaft. „Hab’ ihn ganz durch ihn hindurchgejagt.”
    Roha berührte den dunklen Fleck. „Bist du sicher, daß sie eßbar sind?”
    „Hunh, Zwilling, sei kein Klaht.” Fröhlich lächelnd verwendete er ihr Lieblings-Epitheton gegen sie selbst. „Fleisch ist Fleisch.”
    Sie blickte sich um. „Wo ist Churr?”
    „Auf Erkundung. Vergewissert sich, daß keine Kinya-Kin-Kin zu uns unterwegs sind. Oder Schwebende Geister. Angeblich schwärmen sie in der Dunkelheit aus.”
    „Ich weiß das”, murmelte sie. „Jeder weiß das.”
    Rihon stieß seinen Speer in den steinigen Boden und legte dann eine Hand auf ihre Schulter. Sie drückte ihre Hand auf die seine denn die Ansammlung von Wärme beruhigte sie. „Was ist los, Zwilling?” Seine Stimme senkte sich zu einem Flüstern. „Hast du etwas gesehen?”
    „Ich mag diesen Ort nicht.”
    „Wer tut das schon?” Er umarmte sie und schob sie dann von sich.
    „Du wirst dich besser fühlen, wenn du eine Mahlzeit im Bauch hast.”
    Roha schmiegte sich wieder an Rihon, um Kraft von ihm zu ge winnen, wie sie es bereits so viele Male zuvor getan hatte. Das Feuer war zu einem Gluthaufen heruntergebrannt, das noch lebende Rot formte eine Vision nach der anderen über dem leblosen Schwarz. Sie beobachtet diese Gesichter mit verträumten Blicken, durch die veränderlichen Muster zu einem schläfrigen Wohlbehagen hypnotisiert.
    Auf der Lichtung rings um die Zwillinge waren viele Amar bereits eingeschlafen, fest in ihre Schlafleder gewickelt, die Köpfe bedeckt, die Zehen nackt und bloß in der dunkler wer denden Nacht. Zwei Wächter streiften um die Lichtung, redeten kurz miteinander, wenn sie sich begegneten, und hin und wieder spähten sie auch zu den Zwillingen herüber.
    Gähnend rückte Roha von Rihon ab und legte sich zurück, so daß ihr Kopf auf ihrem eigenen, noch zu einer festen Rolle zusammengeschnürten Bündel ruhte. Der verklumpte Nebel über ihr wurde von unten vom restlichen Feuerschein erhellt und von oben durch das grünliche Licht des Mambila-Netzes. Durch die dünneren Schichten der niedrigen Decke konnte sie das Maßwerk des Gespinstes erkennen. Geistesabwesend kratzte sie an dem schwindenden Ausschlag an ihrem Arm, schloß die Augen und wandte ihre Aufmerksamkeit nach innen, versuchte, die Stärke des Fiebers in ihrem Blut zu taxieren. Zu erschöpft, sich zu konzentrieren, gab sie dieses Bemühen auf und streckte die Beine aus, so daß die Fußsohlen vom Feuer gewärmt wurden. Wieder gähnte sie, blinzelte träge und sah zu, wie der Nebel dichter und dünner wurde, gerade wie der Nachtwind daran zupfte.
    Dampfblasen wehten vorbei, zuerst nur wenige, dann jedoch immer mehr, ganze Schwaden, Dinge, allein durch die Leere sichtbar, die sie in den dichteren Bereichen des Nebels verursachten. Mehrere Minuten lang sah sie zu, wie diese Leere über ihr blubberte, dann schubste sie Rihon in die Seite. „Was ist das? Da oben?” Sie zeigte hinauf.
    Rihon fuhr hoch, blinzelte, aus einem Halbschlummer aufgeschreckt. „Wa …?” Er spähte nach oben, in die Richtung, in die die Fingerspitze seiner Schwester deutete. Die Blasen verwunderten ihn.
    Er sprang auf und stocherte mit einem Finger nach einer davon.
    „Kalt.” Er setzte sich wieder neben

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