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Die Nirgendwojagd

Die Nirgendwojagd

Titel: Die Nirgendwojagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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sie, klopfte das Kleiderbündel zurecht, bis er seinen Kopf bequem darauf plazieren konnte. Er nahm ihre Hand. „Komisch.”
    Der Nebel tanzte weiter in bizarren Klumpen über sie hinweg und löste sich in feine Schleier auf. Rohas Lider wurden schwer, während sie den kreisenden und sich drehenden Blasen zusah.
    Ein Feuerball krümmte sich plötzlich über den Himmel, so hell, daß er durch den Nebel hindurch blendete. Roha keuchte und klammerte sich an Rihons Hand fest. Noch eine Feuerkugel kam und fiel herunter. Und noch eine. Innerhalb von einem Dutzend Herzschlägen waren sie alle drei unten und erloschen. Roha zitterte, atmete keuchend, rollte herum und drückte sich gegen Rihons Brustkorb.
    Er lag bewegungslos, schob seine Hand über die satinweiche Krümmung ihres Kopfes, ihren zitternden Rücken hinunter, bis sie nicht mehr zitterte und schwer und still auf ihm lag. Nach einigen weiteren Minuten erhob sie sich, löste sich aus seiner Umarmung und legte sich auf den Rücken und starrte zu den schwärmenden Kugeln des Nichts hinauf, die sich über ihr ballten.
    „Roha?”
    „Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es dasselbe.” Sie schloß die Augen, preßte die Handballen auf die Lider, spürte die feste Rundung unter der Haut. „Ich fühle … nichts … Nein, kein Schmerz … kein Schmerz … Ich weiß es nicht.” Sie ließ die Hände sinken und schmiegte sie gegen ihre Seiten.
    „Schon gut, Zwilling.” Er nahm ihre Hand. „Mach dir nichts daraus. Wir werden uns zuerst um den Stachel kümmern, dann sehen wir nach dem Samen.”
    Er setzte sich auf, griff hinter sich nach der Kleiderrolle. „Leg dich schlafen, Zwilling. Wir haben morgen einen weiten Weg vor uns.”
    Roha seufzte, richtete sich auf und zuckte zusammen. „Mein Kopf tut weh.”
    „Schlaf.”
    Roha schniefte. „Du hast leicht reden.” Sie sah zu, wie er das Ledertuch ausbreitete und sich darin einhüllte. Als er still lag, regelmäßig atmend, seufzte sie. Ihr Kopf pochte, und es war ein bitterer Geschmack in ihrem Mund. Sie fühlte sich zerschlagen, ihr ganzer Körper schmerzte, ihre Gedanken schwammen ruhelos in tiefer Erschöpfung, aber sie war nicht mehr schläfrig. Sie beobachtete das Feuer, sah zu, wie das Rot in sich zusammensank und frag te sich, ob sie es aufrühren sollte. Schließlich lehnte sie sich zurück, den Kopf auf das Bündel gekuschelt, und ließ das Feuer erlöschen.
    Die dahintreibenden Blasen schwammen dichter geballt als je zuvor. Sie fand ihr ständiges unruhiges Kreisen verwirrend. Anders als der Nebel bewegten sie sich gegen den Wind - als könnten sich Haufen von Seifenkraut-Blasen gegen die Windströmung durchsetzen. Sie blickte genauer hin, wollte sehen, ob das, was sie zu sehen glaubte, auch wirklich geschah. Zwei der leeren Kugeln stießen plötzlich zusammen. Stießen zusammen und verschmolzen miteinander. Die Leere war größer geworden, und jetzt sah Roha aus der Unterseide Fäden wachsen, haardünne Strähnen, fast so durchsichtig wie die Blase darüber. Immer mehr Blasen prallten zusammen und verschmolzen miteinander. Die Kugel aus Nichts verdoppelte und verdreifachte ihre Größe, die herunterhängenden Fäden wurden länger und dicker, bis sie so dick waren wie Rohas Finger. Sie setzte sich auf. „Schwebende Geister”, hauchte sie. Erschaudernd streckte sie die Hand nach Rihon aus, als der Geist auf sie zutrieb, die herabhängenden Ranken wie die Äste des Mat-Akul - sie suchten nach ihr, die Spitzen zuckten hoch, griffen nach ihr. Sie schloß die Finger fest um Rihons Arm, zerrte wie rasend an ihm, und das Entsetzen verschloß ihr die Kehle. Jenseits der Lichtung unterhielten sich die beiden Wächter leise, sie wandten ihr die Rücken zu. Sie schüttelte energischer.
    Rihon schälte sich brummend aus dem Leder, ärgerlich darüber, aus tiefem Schlaf gerissen worden zu sein.
    Roha zitterte und stöhnte, war unfähig, sich zu bewegen. Eine gewaltige Leere hing über ihr, eine Leere, deren Tentakel jetzt auf sie herunterfielen. Sie kauerte mit offenem Mund am Boden, Tränen strömten über ihr Gesicht, und sie fühlte, wie der Geist in ihren Kopf hineingriff, ihr Ich herauszerrte, ihr Ich heraussaugte, sie aus ihrer Hülle aus Fleisch herausschälte.
    Rihon riß den Speer hoch, der an seiner Seite lag, rammte ihn durch die Leere, die über seiner Schwester schwebte. Er schnitt sie mittendurch. Die beiden Hälften schlössen sich unversehrt wieder zusammen, verschmolzen erneut

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