Die Nirgendwojagd
Roha eine Gruppe von Regenbäumen und sah ein großes, rundes Ei durch den Nebel aufragen. Ein graues Ei, höher als ein Berg … oder ein Samenkorn …
Roha starrte es an, und ihr Pulsschlag dröhnte so mächtig in ihren Ohren, daß sie Churr zuerst gar nicht sprechen hörte.
„Ist es das?” wiederholte er und zerrte an ihrem Arm. „Ist es das, hinter dem wir her sind?”
Sie befeuchtete sich die Lippen und sah ihn ausdruckslos an, bis die Bedeutung seiner Worte endlich zu ihr durchdrang. „Ja”, flüsterte sie. „Ja!” schrie sie. „Ja, ja, ja!”
Die Amar schwärmten zu beiden Seiten der Zwillinge in einem Halbkreis aus. Churr nickte Roha flott zu, pfiff dann einen Doppelton.
Die Krieger pirschten sich wachsam vor, hielten den Halbkreis so gleichmäßig wie möglich, wobei sie Gestrüpp und Steinhaufen als Deckung nutzten und zur gleichen Zeit auf die vielen von Pflanzen und dem Erdreich selbst drohenden Gefahren achteten. Churr schob Roha hinter sich und befahl ihr, mit Rihon dort zu bleiben, lief nach vorn und nahm seinen Platz in der Mitte der Reihe ein. Wie Schatten über den Boden schweben, so krochen die Amar auf das Ei zu.
Roha umklammerte Rihons Hand und starrte das Ei an. Sie machte einen Schritt nach vorn. Rihon versuchte sie zurückzuziehen. Sie blickte ihn an. „Ich muß.”
„Roha, du hast dich nicht in Churrs Angelegenheiten einzumischen.”
„Werde ich auch nicht. Rihon, komm weiter, wir können von hier hinten nichts sehen.”
Er zuckte mit den Schultern, gab sie frei und folgte ihr still hinterher, bereit, wie sie wußte, sie zu ergreifen, wenn er glaubte, sie gehe zu weit. Auf leisen Sohlen rannte sie voraus, bis sie dicht hinter Churr war.
Er kniete im Schatten eines Liggabusches, der den harmlosen drau
ßen ähnlich genug war, um sicher auszusehen. Die Amar knieten in einem weiten Ring neben ihm, ein Ring, der außerhalb der weiten Lichtung verborgen lag. Roha hielt an, aufgeregt und ängstlich. Sie blickte sich um und sah die neben einem dampfenden Tümpel aufgeworfenen steinernen Wogen. Sie berührte das Gesicht mit den Händen und fragte sich, ob sie es wagen sollte Hinter ihr knurrte Rihon. Er drängte sie beiseite und glitt an ihr vorbei. Nachdem er den glasigen Fels leicht angetippt hatte, klet-terte er empor und streckte sich oben aus. Einen Moment lang spähte er auf die andere Seite hinunter, dann winkte er ihr.
Roha krabbelte hoch, kam neben ihm zu liegen und schaute ebenfalls hinunter.
Das Ei war auf seine Längsachse gelegt, teilweise in einem aufgeworfenen Erdhaufen begraben. Dahinter jagte ein Geysir Stöße von Dampf und Schwefeldunst empor, die sich über die Wölbung des Eies ergossen, auf der Schale kondensierten und die mattgraue Oberfläche in langen, ungleichmäßigen Streifen gelb und grün und braun befleckten. Der Wind drehte sich kaum merklich und trug den Gestank von Schwefel und einen anderen Geruch, beißend und abscheulich, in Rohas Nase. Er verstopfte ihre Kehle, sorgte dafür, daß sich die Krallen aus ihren Fingerspitzen krümmten. Ihre Ohren zuckten, und ihre Nase wurde flach. Eine kalte Wut stieg in ihr hoch.
Sie konnte Atem durch Rihons Nase ein- und ausschnauben hören und dieselbe Wut kalt in ihm fühlen. Tief in der Kehle knurrte sie und hörte das gleiche schnurrende Grollen von Rihon.
Da klaffte ein rundes Loch in der Schale, irgendwo in der Nähe der Mitte, und in diesem Loch stand ein Dämon. Er drehte den Kopf langsam von einer Seite zur anderen, und runde, schwarze Augen glitzerten selbst in dem schwachen, diffusen Licht, das durch die Nebel sikkerte. Feste Wölbungen am unteren Teil des Gesichts bewegten sich nervös und klapperten, dann kroch er aus dem Loch heraus, balancierte ungeschickt über einen Steg, der sich von der Lochkante zum Boden hinunterneigte. Seine beiden mittleren Arme waren fest vor seiner massigen, harten Brust verschränkt, die beiden oberen Arme des Gleichgewichts wegen ausgestreckt. Er ging nach vorn gebeugt und in einem ungehörig hüpfenden Gang. Mehrere andere kamen aus dem dahinter liegenden Raum. Einer blieb zurück, stand in dem Laderaum, beobachtete seine Gefährten und hielt eine lange, gewundene Röhre fest in dem unteren Händepaar. Einer seiner Oberarme war gegen den Rand des Loches gestemmt.
Als die Dämonen ausschwärmten und sich daranmachten, Blätter von den Büschen einzusammeln, welche die Lichtung säumten, kam ein letzter Dämon aus dem Innern des Eies gehastet. In rasender Hast
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