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Die Nirgendwojagd

Die Nirgendwojagd

Titel: Die Nirgendwojagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Gesicht sehen konnte. Zwischen trüben, halboffenen Augen klaffte ein kleines, schwarzes Loch. Sie streckte die Hand aus, wollte das Loch berühren, erstarrte jedoch einen Fingerbreit darüber. Sie starrte das Loch an. Ihre Hand zitterte.
    „So klein”, sagte sie und verstummte, weil der Klang ihrer Stimme sie erschreckte. Schmach und Kummer schwebten um sie her, aber sie konnte sie noch nicht akzeptieren. So schnell, es war so schnell passiert. Ihr Bruder war tot. Sie hatte mit ihm geredet, sich umgedreht, und jetzt war er tot. Ihre Krallen fuhren heraus, und sie fetzte sie über ihre eigene Haut… Blut sickerte aus ihren Wangen und aus ihrer Brust. „Rihon.” Der goldene Blütenstaub schwebte auf sie herunter, verklumpte in ihrem Blut. „Rihon”, wimmerte sie. Dann kreischte sie den Namen - ein rauher Schmerzensschrei, der sich ihrer Kehle entriß.
    Die Jagd
    4. Aleytys
    Aleytys erwachte in Dunkelheit. Der Mann neben ihr im Bett schnarchte ein wenig, sein Körper strahlte Wärme ab. Sie stieß die Decken zurück, fühlte sich unrein und klebrig. Nachdem sie aus dem Bett geglitten war, blieb sie einen Moment lang stehen und sah an sich hinunter. Meine Haut juckt - deinetwegen … dachte sie. Ich habe nicht gewußt, wie ich mich fühlen würde …es kam mir so einfach vor.
    Sie schüttelte sich. Wenn du mich wieder nehmen willst, mußt du mir erst auf den Kopf schlagen. Leise ging sie ins Badezimmer.
    Sie schaute auf das Wasser hinunter, das mit geisterhaftem Schimmern in die Wanne sprudelte. Das Handtuch lag als zerknüllter Haufen auf den Fliesen, dort, wo Quale es fallen lassen hatte. Sie schüttelte es aus und hängte es auf einen Haken neben der Wanne, da ihr Drijs Bemerkung einfiel, saubere Sachen seien knapp.
    „Sauber”, flüsterte sie. Angewidert und unglücklich ließ sie die Hände über ihre Seiten heruntergleiten und fühlte die Klebrigkeit, hervorgerufen durch ihr Kämpfen und seine Hitze. „Verdammt, verdammt …” Sie zwang sich, ihren Ekel unter Kontrolle zu halten, stieg in die Wanne, drehte den Hahn zu und ließ sich dann langsam und vorsichtig in das dampfende Wasser hinuntergleiten, fühlte die Hitze in die Spannung brennen, als sie sich ausstreckte, bis ihr Kopf auf dem Wannenrand zu liegen kam. Nach ein paar Minuten tastete sie nach der Seife und begann sich abzuschrubben.
    Später lag sie halb schlafend in der Wanne, und das abkühlende Wasser plätscherte an ihren Seiten. Sie war ganz ruhig - jedenfalls bis zu einem gewissen Grad. Ihr Geist und Körper hatten sich an die Störimpulse des Pfuhls gewöhnt. Keine Überflutungen mit Einzelheiten mehr - Bilder, Gefühle, Ereignisse, die in ihren Kopf Strömten, bis sie davon benommen war. Keine Überhäufung mehr im Verlies ihres Schädels. Sie gähnte, ihr Kopf rutschte vom Wannenrand, und plötzlich war sie unter Wasser getaucht.
    Prustend und planschend schaffte sie es, sich wieder aufzusetzen, über den jähen Abbruch ihres würdevollen Selbstmitleids kichernd.
    Purpurne Augen öffneten sich in den Tiefen ihres Geistes. „Hallo, Lee.” Shadiths Gesicht schälte sich aus der Finsternis. „Noch ein Bad?”
    Aleytys rutschte vorsichtig zum Rand der breiten Wanne zurück.
    „Ihr habt also beschlossen, wieder mit mir zu reden.” Sie erwischte den Zipfel des Handtuchs und riß es herunter.
    Das Elfengesicht der Sänger-Poetin glättete sich zu einem breiten Lächeln. „Du weißt, weshalb wir uns zurückgezogen haben. Und wir hatten recht. Du mußtest einmal auf dich allein gestellt sein.” Sie wurde ernst. „Ein schöner Schlamassel.”
    „Werdet ihr mir helfen - oder willst du dich nur beschweren?”
    „Wir werden vor allem zusehen. Ein wenig mit dir reden. Du brauchst keine Hilfe.”
    „Danke.” Aleytys zupfte an ihren Haaren. „Ich habe nachgedacht.
    Eines ist mir dabei klargeworden. Ich gebe eine miserable Hure ab.”
    Bernsteingelbe Augen glitten auf. Hastig schwebte Shadith zur Seite und ließ Harskari nach vorn kommen. „Aleytys”, sagte sie ruhig.
    Für einen Moment fühlte sich Aleytys unter dem taxierenden, kühlen Blick wie ein Kind, dann kämpfte sie dagegen an. „Harskari”, erwiderte sie, und ihre Stimme war ein Murmeln in dem dunklen Raum, so unverbindlich, wie sie es nur halten konnte.
    Die Zauberin lächelte, und ihre Augen zwinkerten, was Aleytys vor lauter Überraschung erschlaffen ließ. Harskaris seltenes leises Lachen füllte ihren Kopf augenblicklich mit flüssiger Musik. „Sha-dith hat es bereits

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