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Die Nirgendwojagd

Die Nirgendwojagd

Titel: Die Nirgendwojagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Nebel bewegte, dichter als alle Nebel im Nebelland.
    Rihon zupfte an ihrer Schulter. Sie neigte den Kopf zur Seite und starrte an seinem Kinn vorbei in die Höhe. Er drehte sie herum, zeigte in Richtung des Dorfes. „Gehen wir, Zwilling”, wisperte er. „Niong will uns hier nicht haben.” Er huschte an ihr vorbei und trabte davon, wich einem sich bewegenden Mat-Akul in weitem Bogen aus, wobei er eine suchende Ranke beiseite schlug. Sie machte keine Anstalten, ihm zu folgen. Er kam wieder ein paar Schritte zurück. „Roha.” Dieses Wort war ein Hauch an ihren Ohren. Er winkte ungeduldig. „Komm.”
    „Ich muß es sehen”, flüsterte sie, mehr zum Wind sprechend, der gegen sie drückte, als zu ihrem Bruder. „Ich muß.”
    Rihon kam langsam zurück. Bevor er sie erreichte, fuhr sie herum und rannte zu dem Mat-Izar. Sie glitt unter die herabhängenden Zweige, hielt wegen des Blütenstaubs den Atem an und streckte sich auf dem Bauch aus, hinter steifen Büscheln aus abgestorbenem, trockenem Gras trügerisch sicher verborgen. Hinter ihr entstand ein Rascheln, dann ging ein Regen aus Pollenkörnern auf sie nieder. Sie hielt sich die Hand über die Nase, blickte zurück und sah, wie sich Rihon hinter ihr niederkauerte. Sie lächelte und machte seine Nase mit dem Daumenballen flach. Sie empfand einen plötzlichen Ausbruch an Zuneigung, ergriff fest seine Hand und wandte dann ihre Aufmerksamkeit wieder der Lichtung zu.
    Als sie durch das Gras spähte, schleuderte der größte Dämon den rothaarigen gerade herum. Vor Angst und Verwirrung zitternd, drückte sie ihr Gesicht tiefer ins Gras, bis sie ihren Reaktionen wieder vertrauen konnte. Sie waren Feinde, das Feuerhaar und die Himmelsteufel. Feinde! Rihons Hand rieb über ihr Rückgrat, um sie noch mehr zu beruhigen. Er wußte es, ihr Bruder, er wußte, was sie empfand, und er gab sein Bestes, ihr zu helfen.
    Sie hörte einen Schrei. Die Dämonen hatten jemanden gesehen.
    Sicht mich, bitte, dachte sie. Mutter Erde, mach, daß nicht ich es bin!
    Sie blickte wieder auf die Lichtung hinaus. Das Feuerhaar lag unter dem langen Etwas, die kleinen Dämonen rannten hin und her, um weiße Eier von dem dunklen Samenkorn wegzutragen und auf das lange Etwas zu werfen, und der große Dämon schleuderte die kleinen, tödlichen Steine aus seinem spuckenden Stock. Er sah nicht zu ihr herüber, deshalb entspannte sie sich ein wenig, stirnrunzelnd, weil Amar-Pfeile von seinen Kleidern abrutschten. Sein Glück rührte ihr Blut zu einem Zorn auf, der ihre Krallen ausfahren und krampfhaft in der weichen, feuchten Erde graben ließ. „Stirb, Dämon! Stirb!” zischte sie.
    „Psst!” Rihons Warnung war ein hauchdünner Ton, aber sie hörte ihn und riß sich zusammen. Er tätschelte sie ein paarmal, zog sich dann ein wenig zurück. Sie konnte das Gras rascheln hören, dann herrschte Stille. Als sie wieder auf die Lichtung hinausschaute, prallte sie zurück und preßte sich noch dichter auf den Boden. Der große Dämon starrte direkt auf sie. Sie hielt den Atem an, hörte den Stock spucken und das winzige Zing, als das Geschoß über ihren angespannten Körper hinwegsang. Als sie wieder hochblickte, sah er in eine andere Richtung. Sie spürte einen wilden Triumph. „Zwillingsglück!” flüsterte sie.
    Rihon lag in einer schrecklichen Vollkommenheit am Boden, sein Gesicht ins Gras geschmiegt. Sie vergaß alles um sich herum, stemmte sich auf Hände und Knie hoch und krabbelte herum. Sie berührte ihn. „Rihon?” Sein Fleisch war warm. Sein Kopf rollte haltlos herum, bis sein Gesicht ihr zugewandt war. Das Auge, das sie sehen konnte, war halb geschlossen. Sein Mund stand ein wenig offen. Sie hob seinen Arm. Er war leicht zu bewegen und fiel, als sie ihn losließ, neben seinem reglosen Rumpf zu Boden. Sie breitete ihre Hand über seinen Rücken. „Rihon?” Sie fühlte nichts … wußte nicht, was sie fühlte …
    Unglauben? Sie drückte ihre Hand fest hinunter, schüttelte ihn wieder. Da war kein Widerstand in ihm, nichts, das bei der Berührung seiner Haut zuckte und wisperte: Da ist Leben. Sein Rücken war warm unter ihrer Hand, unversehrt. Sie schob ihre Hand weiter, nach oben, drückte sie auf die elastischen Kammlinien nieder, die zur Mitte seines Schädels aufstiegen. Sie fühlte etwas Feuchtes und zog die Hand weg, starrte auf den roten Fleck auf ihrer dunkelgrünen Haut hinunter. Mit dem gleichen langsamen Unglauben drehte sie seinen Kopf weiter herum, so daß sie in sein

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