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Die Nirgendwojagd

Die Nirgendwojagd

Titel: Die Nirgendwojagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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angedeutet. Lee: Jetzt, da du uns nicht brauchst, können wir miteinander reden.”
    „Du hast mich nicht mehr Kind genannt”, murmelte Aleytys und empfand eine leichte Melancholie über diese Veränderung in ihrer Beziehung zu der Verknüpfung von Kräften, die die Bilder in ihrem Kopf bewirkten. Für sie war Harskari so sehr eine Mutter gewesen wie keine andere Frau, die sie gekannt hatte.
    „Sollte ich das?” Die Zauberin hob eine weiße Augenbraue.
    „Nein.” Aleytys seufzte und lächelte, als sie hinter Harskari schwarze Augen aufgehen sah. Swardheld lächelte ihr verwegen zu, blinzelte, dann verschwamm sein Abbild wieder.
    Es fiel Aleytys schwer, sich darauf zu besinnen, daß diese Gestalten Phantome in ihren Gedanken waren, Ansammlungen von in den Juwelenfallen des RMoahl-Diadems gefangenen Seelenkräften …
    Das Diadem … diese Falle, die auch sie gefangenhielt, seit sie den Reif aus goldenen Blumen auf ihren Kopf gesetzt und festgestellt hatte, daß sie ihn nicht mehr abnehmen konnte. Dies waren ihre Freunde, mehr noch - ihre engsten Freunde. Sie lebten in ihr und hatten teil an allem, was sie fühlte und tat.
    Harskari, das erste Opfer, Zauberin und Psi-Meisterin. Shadith, das zweite Opfer, Dichterin und Sängerin, Angehörige einer längst untergegangenen, hochtechnisierten Zivilisation. Swardheld, Schwertkämpfer und Söldner, mit allen Künsten von Hand und Verstand ausgestattet, die man in einer feudalen Gesellschaftsordnung zum Überleben benötigte. Auf eine bedeutsame Art und Weise waren sie Teil von ihr, hatten geformt, was sie jetzt beherrschte, sowohl ihre Unsicherheiten wie auch ihre Befähigungen.
    Shadith war auf angedeutete violette Augen reduziert, während Harskari Gestalt angenommen hatte, bis sie in einer weiten Jacke und einem langen Rock vor ihr stand, das dunkle Gesicht von weißen Haaren umweht. Mit einer unbeholfenen Anmut stand sie da, ein wehmütiges Lächeln auf dem Gesicht, so entspannt, wie Aleytys sie niemals zuvor gesehen hatte. Sie neigte ihr weißes Haupt leicht, als würde sie in Aleytys’ Gesicht sehen. „Freunde stehen auf gleicher Ebene, Lee.”
    Aleytys bewegte sich im Wasser, verspürte eine Überfülle von Wärme, die mit der Wärme, die sie umgab, nichts zu tun hatte. „Also gut…” Sie stieg aus der Wanne, wickelte sich in das Handtuch, dachte bedauernd an das Kleid, das Drij nicht gebracht hatte, und kehrte dann in das Schlafzimmer zurück. Die Spiegel lockten genügend Helligkeit in den kleinen Raum, so daß sie Quales ausgestreckte Körpermasse erkennen konnte. Er hatte sich ein wenig bewegt, die Decke von sich geschoben. Im schwachen Licht betrachtete sie sein Profil auf dem Kissen. Seine narbige Wange war nach unten gekehrt, Schweiß hatte seine dichten, seidigen Haare zu lok-keren Kräuseln verklebt. Zu schade, daß du nicht weiterschlafen wirst, dachte sie. Er bewegte sich, murmelte ein paar undeutliche Silben, schnarchte dann wieder. Sie hielt den Atem an, glitt vom Bett weg, respektierte seine animalische Sensibilität immerhin weit genug, um keine unnötigen Geräusche zu verursachen. Die verblassenden blauen Flecken auf Drijs Gesicht waren eine ausreichende Warnung.
    Sie huschte in den äußeren Raum, der erfüllt war von Frieden und pulsierendem grauem Zwielicht, die Stille allein von Drijs leisen Atemzügen unterbrochen. Die dunkelhaarige Frau lag in einer Ecke zusammengekauert, eine Decke über sich gezogen; nur ihr Gesicht war zu sehen. Aleytys schlich in die Mitte des Raumes und streckte sich. Gähnend, blinzelnd bewegte sie die Füße sinnlich über die weichen Teppichfasern, fühlte sich in ihrem Körper wieder zu Hause, war froh, daß der Bruch zwischen ihr und ihren Geist-Freunden geheilt worden war, und beinahe glücklich, daß die Jagd inzwischen tatsächlich begonnen hatte. Sie trottete durch den Raum und stieg die Leiter hinauf, entriegelte die Luke, lehnte sich dann gegen die Öffnung, wobei ihre verschränkten Arme auf dem schmalen Sims ruhten, der den Verschlagdeckel hielt.
    Der Pfuhl war ein Netz aus Licht, pulsierend und drohend. Helle Flecken irrlichterten auf Lichtbahnen, die ständig ihre Position veränderten, von einem Punkt zum nächsten. Die gestampfte Erde innerhalb der Mauern war mit den Körpern der schlafenden Menschen und Nichtmenschen übersät. In der Nähe murmelte ein Mann im Schlaf —
    keine deutlichen Worte, aber die Unruhe ließ ihn zucken, seine knorrigen Finger kratzten an seiner Decke. Sie hörte das

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