Die Nirgendwojagd
Vorankommen wurde schwierig. Gerade hatte Aleytys noch ein paar Meter weit sehen können, und jetzt war sie von einer Sekunde zur anderen froh, wenn es ihr möglich war festzustellen, wohin sie die Füße setzen sollte.
Weil das Zaumzeug einen Teil der Anspannung von ihren Armen nahm, war der Transporter recht leicht zu ziehen, aber Aleytys war wegen des Bodens und der Vegetation vor sich nervös. Sie mied jeden Busch so gut wie möglich, hielt ihre Blicke auf den Boden gerichtet, zog die Flecken mit grobem Sand und Schotter den glatten Steinflächen vor. Und ich habe mich beschwert, nur die Fahrt mitzumachen.
Gelangweilt! dachte sie plötzlich und gluckste. Dies rief einen verwunderten Blick Drijs hervor, aber sie machte sich nicht die Mühe zu erklären, was sie belustigt hatte.
Die Amar verfolgten sie weiterhin. Aleytys blickte zu den Männern hinüber, die neben dem Transporter marschierten. Sie waren nervös, bereit, auf jeden Schatten zu feuern. Sie hoffte, daß die kleine Roha und ihre Krieger so vernünftig waren, die Aasfresser zur Ruhe kommen zu lassen, bevor sie irgend etwas unternahmen.
Ein seltsames Empfinden streifte den äußeren Rand ihres Hinausreichens. Hastig suchte sie das Gelände vor sich nach Gefahren ab, schloß dann die Augen und dehnte ihre Sondierung aus. Draußen, hinter den Amar, lauerte etwas anderes … so schwache Lebensfunken, daß sie nicht sicher war, ob sie existierten oder ob sie Erfindungen einer überhitzten Phantasie waren. Sie kämpfte gegen die Einwirkungen des Pfuhlnetzes an, gegen die Begrenzung ihrer Fähigkeiten und fluchte leise. Die Berührungen waren zaghaft und undeutlich, und ganz gleich, was sie auch tat, sie ergaben keine weiteren Informationen. Zusätzlich zu ihrer Nervosität wurde ihr langsam ein Schwarm winziger Vibrationen bewußt, Vibrationen, die über dem Transporter kreisten, einen gierigen Hunger ausstrahlten, jedoch unmöglich mit Sicherheit zu lokalisieren waren. Eine weitere vage Bedrohung. Aleytys tastete herum, fand jedoch kein Zentrum, an dem sie sich festklammern konnte, nur Rauchwolken, die davonwehten, so oft sie danach griff. Die Zeit verging, und Aleytys marschierte in ihrem Geschirr eingeengt weiter, murmelte leise vor sich hin, so auf ihren geistigen Griff konzentriert, daß sie außer der Notwendigkeit, den Boden vor ihren Füßen aufmerksam abzusuchen, alles andere vergessen hatte.
„Lee.” Drij vergewisserte sich, daß die Hyänen nicht her blickten, dann flüsterte sie weiter: „Lee, stimmt irgend etwas nicht?”
Aleytys ruckte den Kopf hoch und lächelte, als sie die Sorge in Drijs Gesicht bemerkte. „Es ist nichts.” Sie blickte sich um, dann wieder zurück, auf den Boden vor sich. „Jedenfalls momentan noch nicht. Mhmmm. Sag mal, gibt es irgendwelche größere Lebewesen hier im Nebelland?”
Drij runzelte die Stirn. „Roha hat einmal etwas von Nebelländern erwähnt, aber sie schien eher der Meinung zu sein, das seien Geschichten für Kinder. Wie die Schwebenden Geister.” Sie schwieg einen Moment lang. „Warum?” fragte sie nach einer Weile. „Oder sollte ich besser nicht fragen?”
„Ich weiß nicht…” Aleytys zuckte mit den Schultern. „Hast du dich schon mal unbehaglich gefühlt und dich umgedreht - und dann jemanden gesehen, der dich anstarrt? Genauso fühle ich mich jetzt. Es juckt richtig. Ich will dir was sagen, Drij. Wenn ich schreie, dann läufst du, so schnell du kannst.”
Die Jagd
7. Aleytys
Bis Quale an diesem zweiten Tag im Nebelland anordnete, das Lager aufzuschlagein, starben drei weitere Aasfresser.
Einer hatte angehalten, um sich zu erleichtern, und endete mit aufgeschlitzter Kehle. Die zwei anderen fielen ein wenig zurück und gingen mit Pfeilen in Arm und Oberschenkel zu Boden. In den sich verschiebenden Nebeln war ein gezielter Schuß nahezu unmöglich, aber das Gift war so stark, daß jeder Treffer einen schnellen Tod für das Opfer bedeutete. Ein Aasfresser sah den zuletzt Getroffenen fallen, schrie eine Warnung und feuerte wild in den Nebel hinein, bis Quale ihm das Gewehr aus den Händen schlug und ihn wegen der Munitionsverschwendung verfluchte. Danach drängten sich die Hyänen dicht um den Transporter, zuckten bei jedem Nebelschemen zusammen - waren jedoch nicht kühn genug, durch einen Schuß Quales Zorn herauszufordern.
Als sie anhielten, schob Aleytys die Geschirr-Gurte von den Schultern und streckte sich ächzend. „Ich bin nicht zum Pferd geboren.”
„Ich auch nicht.”
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