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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten
Autoren: Roberto Bolaño
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Fensters, auf einem der Tische, lagen die Fälschungen. Gefallen sie dir? Amalfitano nickte mit dem Kopf.
    »Kennst du den Maler?«
    »Nein«, sagte Amalfitano.
    »Ein Nordamerikaner«, sagte Castillo.
    »Merkt man. Aber wer er ist, weiß ich nicht. Ist mir auch lieber so.«
    Castillo zuckte mit den Schultern.
    »Möchtest du etwas trinken? Ich habe so ziemlich alles da.«
    »Einen Whisky«, sagte Amalfitano und fühlte sich auf einmal traurig.
    Ich bin gekommen, um mit jemand zu schlafen, dachte er, ich bin gekommen, um die Hosen runterzulassen und mit einem naiven Jungen zu ficken, mit einem Kunststudenten und Fälscher von Larry Rivers, dem Larry Rivers der ersten oder zweiten Periode, was weiß ich, und der sich damit brüstet, wo es ihn eigentlich schaudern müsste, bin gekommen, um zu tun, wovon Padilla mir prophezeit hatte, dass ich es tun würde, und was er sicher keinen Moment, keine Sekunde lang aufgehört hat zu tun.
    »Das ist Larry Rivers«, sagte Castillo, »ein Maler aus New York.«
    Amalfitano nippte verzweifelt an seinem Whisky.
    »Weiß ich«, sagte er. »Ich kenne Larry Rivers, ich kenne Frank O’Hara, also kenne ich auch Larry Rivers.«
    »Und warum hast du eben das Gegenteil gesagt? Sind sie so schlecht?«, fragte Castillo, ohne im geringsten beleidigt zu sein.
    »Ich weiß nicht, wer sie dir abkaufen könnte, ehrlich«, sagte Amalfitano und fühlte sich immer schlechter.
    »Aber sie verkaufen sich, glaub mir.« Castillos Stimme war sanft und gewinnend. »Ein kleiner runder Texaner kauft sie mir ab, ein Original, du müsstest ihn kennenlernen, der sie dann an andere, stinkreiche Texaner weiterverkauft.«
    »Egal«, sagte Amalfitano. »Entschuldige. Wir sind hier, um miteinander ins Bett zu gehen, oder? Vielleicht irre ich mich. Entschuldige nochmals.«
    Castillo stieß die Luft aus.
    »Wenn du willst, ja. Wenn nicht, fahre ich dich nach Hause, und hier ist nichts passiert. Mir scheint, du hast zu viel getrunken.«
    »Willst du denn?«
    »Ich will mit dir zusammen sein, mit dir schlafen oder plaudern, das ist mir egal. Oder fast egal.«
    »Entschuldige«, brummte Amalfitano und ließ sich auf ein Sofa fallen. »Ich fühle mich nicht gut, ich glaube, ich bin betrunken.«
    »Keine Ursache«, sagte Castillo und setzte sich neben ihn auf den Boden, auf einen alten indischen Teppich. »Ich mache dir einen Kaffee.«
    Kurz darauf begannen beide zu rauchen. Amalfitano erzählte ihm von seiner siebzehnjährigen Tochter. Sie sprachen auch über Malerei und Dichtung, über Larry Rivers und Frank O’Hara. Später fuhr Castillo ihn in seinem Wagen nach Hause.
    Als er am folgenden Tag aus der letzten Veranstaltung kam, wartete Castillo im Flur auf ihn. An diesem Nachmittag schliefen sie zum ersten Mal miteinander.

5
     
    Eines Morgens erschien ein Gärtner in Amalfitanos Unterricht und überbrachte ihm eine Nachricht von Horacio Guerra. Dieser wünschte ihn um vierzehn Uhr in seinem Büro zu sehen. Unbedingt. Sein Büro war nicht leicht zu finden. Guerras Sekretärin und eine andere Frau zeichneten ihm einen Plan. Es befand sich im Erdgeschoss der Fakultät, im hinteren Teil, neben dem kleinen Theater – das kaum größer war als ein Klassenzimmer –, in dem einmal monatlich eine universitäre Schauspieltruppe ihre Stücke vor Studenten und Angehörigen, Professoren und kulturell interessierten Bürgern von Santa Teresa aufführte. Regisseur war Horacio Guerra, und neben der Garderobe, die früher als Requisite gedient haben musste, hatte er sich sein Büro eingerichtet: Es war ein Raum ohne Tageslicht, an den Wänden dicht an dicht Plakate der aufgeführten Theaterstücke und ein Regal mit den Buchveröffentlichungen des universitätseigenen Verlags, dazu ein großer Tisch aus Edelholz, auf dem sich Papiere stapelten, und drei, im Halbkreis um einen schwarzledernen Drehsessel angeordnete Stühle.
    Bei Amalfitanos Ankunft lag das Zimmer im Dunkeln. Er fand Guerra im Sessel versunken, und einen Moment lang glaubte er, der andere würde schlafen. Als er Licht machte, sah er, dass Guerra hellwach war: Er hatte lebhafte, leuchtende Augen, als stünde er unter Drogen, und den Mund zu einem listigen Lächeln verzogen. Die Begrüßung war trotz der Art, wie das Treffen zustande kam, förmlich. Sie sprachen über das laufende Semester, über die Vorgänger auf Amalfitanos Lehrstuhl und wie sehr die Universität guter Dozenten bedurfte. In den Naturwissenschaften setzten sich die besten nach Monterrey oder Mexiko
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