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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Padillas Stimme wie die des Kapitäns eines sinkenden Schiffs. Das wird übel enden, dachte Amalfitano, übel enden, übel enden, während Padilla seinen Schwanz behutsam in seinem alten Arsch versenkte.
    Danach folgte, wie üblich, die Raserei. Padilla stellte ihm einen dicken Jungen mit blauen Augen vor, den Dichter Pere Girau, ein wunderbarer Bursche, sagte Padilla, du musst ihn seine Gedichte lesen hören, klangvoll und tief wie Auden. Und Amalfitano hörte die Gedichte von Pere Girau, und dann drehten sie mit dem Auto eine Runde, kehrten im Camionero Asesino und im Hermanos Poyatos ein und landeten am Ende alle drei in Padillas Studio und in Padillas Bett, und Amalfitano, der in ein Meer des Zweifels zurückverwandelte Amalfitano, dachte, dass sei doch nicht, was er wollte, obwohl es dann, viel später, doch das war, was er wollte. Auf alle Fälle wäre ihm eine andere Art von Beziehung lieber gewesen, Nachmittage mit Padilla gemeinsam verbringen, sich über Literatur unterhalten, dem Vertrauen und der Freundschaft Zeit geben.
    Und nach dem Dichter Pere Girau kamen zwei weitere, Studienfreunde von Padilla, und Amalfitanos Überraschung, als man sich traf und er den Grund und Zweck des Treffens erfuhr, war grenzenlos. Das fiel nicht mehr unter gemeinsame Theaterbesuche. Er fühlte sich beschämt, errötete, versuchte lässig und cool zu sein, was ihm nicht gelang. Und Padilla schien seine Verwirrung zu amüsieren, er schien sich zu verändern, zu wachsen, wirkte plötzlich alt und zynisch (unflätig war er schon immer gewesen), während er immer kindischer, immer leichtsinniger, immer ängstlicher wurde. Ein Jugendlicher in einem unbekannten Land. Keine Sorge, Oscar, die sind im Bilde, die waren schon an Bord, lange bevor ich dich entjungfert habe, du gefällst ihnen, sie sagen, so einen hübschen Prof hatten sie noch nie, sagen, unglaublich, wenn man bedenkt, wie alt du bist, fragen, was du heute Nacht so vorhast, lachte Padilla, seines Lebens froh, Herr über das, was er tat und fühlte, in der Zeit vor der Krankheit, vor seiner Begegnung mit dem Gott der Homosexuellen.
    Erzähl mir, erzähl mir von den gefährlichen Dingen, die du in deinem Leben getrieben hast, sagte Padilla. Das Gefährlichste von allem war, mit dir zu schlafen, dachte Amalfitano, hütete sich aber, das laut zu sagen.

2
     
    Auch erinnerte sich Amalfitano an das letzte Mal, dass er mit Padilla geschlafen hatte. Wenige Tage vor der Abreise nach Mexiko rief Padilla an. Am ganzen Leib zitternd stimmte er dem vermutlich letzten Treffen zu. Eine Stunde später setzte ein Taxi ihn am Hafen ab, und in seiner schwarzen, bis oben zugeknöpften Lederjacke kam Padilla ihm entgegen.
    Ich sollte besser aufhören zu lächeln, dachte Amalfitano, während er ohne zu blinzeln, wie verhext, Padillas Gesicht betrachtete, das ihm abgezehrt vorkam, die Haut viel blasser, fast durchscheinend, als hätte er länger keine Sonne bekommen. Später, als er seine Lippen auf den Wangen dicht an seinen Mundwinkeln spürte, wurden ihm durch seinen ehemaligen Studenten Empfindungen zuteil, die ihn, so selten er an sie dachte, verstörten. Eine Mischung aus Begehren, väterlicher Liebe und Traurigkeit, als verkörperte Padilla eine unmögliche Trinität: Geliebter, Sohn und ideales Spiegelbild seiner selbst. Er empfand Mitleid mit Padilla, mit Padilla und seinem Vater, mit Padillas Toten und seinen verflossenen Lieben, die ihn in ein Licht von Einsamkeit tauchten: Hier, auf dieser tristen Bühne, war Padilla zu jung, zu zerbrechlich, und Amalfitano konnte nichts für ihn tun. Und obwohl er gleichzeitig ganz genau wusste, und das machte ihn dann immer sprachlos, dass es einen unverwundbaren Padilla gab, arrogant wie ein mediterraner Gott und stark wie ein kubanischer Boxer, hielt das Mitleid an, das Gefühl von Verlust und Ohnmacht.
    Eine Zeitlang liefen sie ziellos breite Gehwege entlang und wichen Caféterrassen, Fischbuden und nordeuropäischen Touristen aus. Die wenigen Worte, die sie wechselten, ließen sie lächeln.
    »Findest du, ich sehe aus wie ein deutscher Schwuler?«, fragte Padilla, während sie auf der Suche nach einem Hostal durch den Hafen liefen.
    »Nein«, sagte Amalfitano, »die deutschen Homosexuellen, die ich kenne, und meine Kenntnisse sind ausschließlich literarischer Art, sind so barbarisch und glücklich wie du, neigen aber zur Selbstzerstörung, während du aus feuerfestem Material gemacht zu sein scheinst.«
    Sofort bereute er seine Worte, mit

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