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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten
Autoren: Roberto Bolaño
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D.F. ab oder wagten den Sprung an eine nordamerikanische Universität. In der Philosophie und den Geisteswissenschaften läuft das anders, sagte Guerra, mich verarscht keiner, aber dafür muss ich meine Augen überall haben, alles persönlich überwachen, Sie sehen nicht, welche Arbeit auf meinen Schultern lastet. Ich kann es mir denken, sagte Amalfitano, der beschlossen hatte, auf der Hut zu sein. Dann sprachen sie über Theater. Horacio Guerra hegte den Wunsch, die Theateraktivitäten der Fakultät anzukurbeln, und zählte dabei auf die Mitarbeit aller. Ausnahmslos aller. Die Fakultät besaß zwei Theatergruppen, beide aber hoffnungslos undiszipliniert. Dabei aber keine schlechten Schauspieler. Amalfitano wollte wissen, worin ihre Disziplinlosigkeit bestand. Eine Aufführung ankündigen und sie platzen lassen, einen Schauspieler verlieren und keinen Ersatz finden, die Vorstellung mit halbstündiger Verspätung beginnen, mit dem Budget nicht auskommen. Meine Arbeit ist es, erklärte Guerra, das Übel ausfindig zu machen und bei der Wurzel zu packen. Und ich habe es gefunden, mein Herr, und bei der Wurzel gepackt. Wollen Sie wissen, was es war? Ja, natürlich, sagte Amalfitano. Die Regisseure! Ja, diese ungebildeten und vor allem disziplinlosen Bürschchen, die nicht wissen, dass die Inszenierung eines Theaterstücks wie ein Schlachtfeld ist, mit seiner Logistik, seiner Artillerie, seiner Infanterie, seiner flankierenden Kavallerie (oder in Ermangelung dessen dem leichten Panzergeschwader, glauben Sie bloß nicht, ich sei von gestern, und sogar, wenn es mich drängt, dem Luftgeschwader), seinen Panzern, seinen Ingenieuren, seinen Aufklärern, etc., etc.
    »In Wirklichkeit«, sagte Guerra, »ist das nicht mein Büro, wie Sie schon geahnt haben werden, mein Büro hat Licht und Luft, und auf seine Ausstattung bin ich ein bisschen stolz, aber die guten Generäle müssen bei der Truppe bleiben, darum bin ich hierher umgezogen.«
    »Ich weiß«, sagte Amalfitano, »Ihre Sekretärin hat es mir gesagt.«
    »Waren Sie in meinem anderen Büro?«
    »Ja«, sagte Amalfitano, »dort hat man mich hierhergeschickt, ich habe wohl etwas länger gebraucht, es zu finden, ich habe mich erst verlaufen.«
    »Gut, gut, das passiert immer. Es ist sogar üblich, dass die Zuschauer in die Irre gehen, wenn sie zu unseren Aufführungen kommen. Vielleicht sollten wir Hinweisschilder aufhängen.«
    »Keine schlechte Idee«, sagte Amalfitano.
    Sie sprachen weiter über Theater, obwohl Guerra es vermied, ihn nach seiner Meinung zu dem von ihm geplanten Repertoire zu fragen. Die einzigen darin einbezogenen Autoren, die Amalfitano kannte, waren Salvador Novo und Rodolfo Usigli. Die übrigen klangen nach Neuentdeckung oder Steinzeit. Die ganze Zeit sprach Guerra über sein Projekt, als bereitete er ein köstliches Menü vor, das nur einige wenige gewissenhaft probieren würden. Über Amalfitanos Arbeit sprachen sie mit keinem Wort. Als sie sich nach einer Stunde voneinander verabschiedeten, fragte Guerra ihn, ob er den Botanischen Garten kenne. Noch nicht, erwiderte Amalfitano. Später, als er ein Taxi suchte, um nach Hause zu fahren, sollte er sich fragen, warum Guerra ihn von einem Gärtner und nicht von einem Pedell hatte rufen lassen. Offenbar ein gutes Zeichen, dachte er.

6
     
    Der Texaner, die Leute, die dem Texaner die falschen Larry Rivers abkauften, Castillo, der ehrlich überzeugt war, gute Arbeit zu leisten, der Kunstmarkt von New Mexico, Arizona und Texas, das alles, dachte Amalfitano, waren im Grunde Figuren wie aus einem philosophischen Roman des achtzehnten Jahrhunderts, verbannt auf einen Kontinent ähnlich wie der Mond, wie die abgewandte Seite des Mondes, der ideale Ort, wo solcherlei wachsen und gedeihen konnte, unschuldig und habgierig, eigenartig und mutig, versponnen und heillos naiv. Wie, dachte er, lässt sich erklären, dass die Bilder nicht nur in Auftrag gegeben und gemalt werden, sondern dass es Leute gibt, die sie verkaufen, und Leute, die sie kaufen, aber niemanden, der sie auffliegen lässt und anzeigt? Die Kunst kommt über Texas, dachte Amalfitano, wie eine Offenbarung, wie eine Lektion in Sachen Demut, die die Händler von Larry Rivers kaltlässt, wie die Güte, die alles verzeiht, sogar die schlechten Fälschungen, und im nächsten Moment stellte er sich die falschen Berdies, die falschen Camel-Kamele und die unsäglich falschen Carlo Levis (einige mit unverkennbar mexikanischen Gesichtszügen) in privaten Salons
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