Die Noete des wahren Polizisten
unwilligen Freiwilligen über dessen Kleidung zogen. Dann begannen sie, sich ihrer Sachen zu entledigen, während der Zuschauer, der sich für die Nummer zur Verfügung gestellt hatte, aufgefordert wurde, ein Gleiches zu tun. Es endete, wenn die Tänzerinnen splitternackt waren und der Freiwillige es endlich geschafft hatte, sich ungeschickt und zuweilen mit roher Gewalt aus seinen lächerlichen Tuniken und Roben zu befreien.
Und das war’s, und wäre nicht plötzlich, nahezu übergangslos und ohne Ankündigung, der berühmte Magier Alexander erschienen, Amalfitano und Castillo wären enttäuscht gegangen. Aber der Magier Alexander war ein anderes Kaliber, und etwas in seiner Art, die Bühne zu betreten und die Zuschauer im Parkett und auf der Galerie scharf ins Auge zu fassen (mit dem Blick eines alten Melancholikers, aber auch dem eines Alten mit Röntgenaugen, der die Kenner von Taschenspielertricks ebenso versteht und akzeptiert wie die Arbeiterpärchen mit Kindern und die Zuhälter, die hoffnungslose Langzeitstrategien entwerfen), hielt Amalfitano wie gebannt in seinem Sessel fest.
Guten Tag, sagte der Magier Alexander. Guten Tag und guten Abend, verehrtes Publikum. Seiner linken Hand entsprang ein papierener Mond von dreißig Zentimeter Durchmesser, weiß, mit grauen Streifen, der zu steigen begann, von allein, bis er mehr als zwei Meter über seinem Kopf anhielt. An seinem Akzent erkannte Amalfitano, dass er kein Mexikaner, überhaupt kein Lateinamerikaner oder Spanier war. Dann explodierte der Ballon in der Luft, und aus seinem Innern fielen weiße Blüten, weiße Nelken. Das Publikum, das den Magier Alexander aus anderen Vorstellungen zu kennen schien, applaudierte reichlich. Amalfitano wollte auch klatschen, aber dann verharrten die Blüten in der Luft, und nach einer kurzen Pause, in der sie zitternd stillstanden, ordneten sie sich neu und bildeten einen Kreis von anderthalb Meter Durchmesser um die Hüften des Alten. Er erntete noch größeren Applaus. Und jetzt, erlesenes und hochgeschätztes Publikum, wollen wir ein wenig Karten spielen. Ja, der Magier war Ausländer und fremdsprachig, aber woher, dachte Amalfitano, und was hat ihn, so gut, wie er ist, in diese gottverlassene Stadt verschlagen. Vielleicht ist er Texaner, dachte er.
Der Kartentrick war keineswegs spektakulär, vermochte Amalfitano jedoch auf eine merkwürdige und ihm selbst unerklärliche Weise zu fesseln. In dieser Faszination lag Erwartung, aber auch Angst. Zunächst dozierte der Magier Alexander von der Bühne herab, mit einem Kartenspiel, das sich urplötzlich mal in der linken, mal in der rechten Hand befand, über die Eigenschaften eines guten Kartenspielers und über die zahllosen Gefahren, die auf ihn lauern. Ein Spiel Karten, das liegt auf der Hand, kann einen ehrbaren Arbeiter in den Ruin, in die Schande und in den Tod treiben. Frauen verleitet es zur Haltlosigkeit, Sie wissen schon, sagte er augenzwinkernd, ohne seinen feierlichen Ausdruck zu verlieren. Er wirkte wie ein Fernsehprediger, dachte Amalfitano, aber das Eigenartige war, dass die Leute ihm interessiert zuhörten. Sogar oben auf der Galerie beugten sich einige verschlafene und verschlagene Visagen vor, um die Manöver des Magiers besser verfolgen zu können. Dieser bewegte sich mit immer größerer Entschlossenheit, erst auf der Bühne, dann durch die Gänge des Parketts, wobei er unablässig von Spielkarten sprach, von der Nemesis der Karten, dem großen, einsamen Traum des Kartenspiels, von den Schweigern und den Scharlatanen, mit diesem Akzent, der bestimmt kein texanischer war, während ihm die Zuschauer stumm mit den Augen folgten, ohne etwas vom Sermon des Alten zu begreifen, vermutete Amalfitano (er verstand auch nichts, und vielleicht gab es nichts zu verstehen). Bis er plötzlich mitten auf einem der Gänge stehen blieb und sagte, also gut, fangen wir an, ich werde Ihre Geduld nicht länger strapazieren, fangen wir an.
Was dann geschah, ließ Amalfitano die Kinnlade nach unten klappen. Der Magier Alexander näherte sich einem Zuschauer und bat ihn, in seine Tasche zu greifen. Der Zuschauer tat es, und als er die Hand wieder herauszog, hielt sie eine Karte. Sofort forderte er eine weitere Person in derselben Reihe, aber weiter entfernt, auf, das gleiche zu tun. Noch eine Karte. Und dann noch eine, in einer anderen Reihe, und alle Karten sollten, angefeuert von den Stimmen der Zuschauer, ein Royal Flash in Herz bilden. Als nur noch zwei Karten fehlten,
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