Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott
wirklich. Raffim, der Hyksos, ist schuld!«
»Wie kann er an so etwas schuld sein?«, fragte ungläubig der Statthalter.
»Raffim hat Suchos sein Ankh entrissen! Er beleidigte den Gott, und dieser bestraft uns nun alle. Und es wird nicht aufhören, sage ich Euch, es wird nicht aufhören, bevor nicht die Knochen aller Hyksos in der Wüste bleichen!«, eiferte der Papyrusausleger von eigenen Gnaden.
»Wie, um aller Götter willen, soll sich dies zugetragen haben?«, fragte Kamoses verwundert.
»Ihr kennt doch Raffim, diesen Krokodilschänder, hochwürdigster Gebieter, Sonne von Theben, aua –, diesen Raffzahn von einem Hyksos. Tag für Tag quält er die heiligen Reptilien, nur um noch mehr Vermögen zusammenzuraffen. Doch heute ist er einen Schritt zu weit gegangen. Heute hat er Suchos persönlich angegriffen. So wahr ich hier vor Euch knie, hochwürdigster Gebieter, Sonne von Theben, AUA!«
Mesmoses rieb sich sein geschundenes Hinterteil, das soeben einen weiteren Treffer verzeichnen konnte.
Der Statthalter blickte ungläubig und verachtend auf das Bündel Mensch zu seinen Füßen. Immer wieder bekam er es mit religiösen Fanatikern zu tun und auch mit Ägyptern, die den Hyksos alles, aber auch wirklich alles in die Schuhe schieben wollten. Missernten und Fehlgeburten, Verluste beim Glücksspiel und Impotenz, unerwünschte Schwangerschaften und Krankheiten, Trockenheit und Hagelschlag, zänkische Weiber und störrische Esel, es gab nichts, an dem die Hyksos nicht schuld waren.
Langsam begann ihn der Fanatiker zu langweilen. Es gab im Augenblick wirklich Wichtigeres für ihn zu tun. Er wollte gerade dem Soldaten ein Zeichen geben, Mesmoses mit Hilfe des Speeres aus dem demolierten Raum zu bitten, als der Diener mit sich überschlagender Stimme rief: »Es gibt einen Beweis! Er trägt ein Ankh in seiner Hand!«
»Viele tragen ein Ankh, und manche tragen es sogar den ganzen Tag in der Hand, um den Göttern zu gefallen. Daran ist nichts Besonderes. Du bekommst sie bei jedem Tempel für ein paar Kupfermünzen«, wies Kamoses den vermeintlichen Beweis von sich.
»Aber dieses Ankh ist ein echtes, Herr. Und Raffim leuchtet! Er leuchtet grün!«, triumphierte Mesmoses.
»Er tut was?«, fragte der Statthalter verwirrt.
»Er leuchtet grün. Grün wie Suchos. Und er hält dessen Ankh in seiner linken Hand, die ganze Zeit. Zuerst lag er wie tot im Wasser, mit dem Gesicht nach unten. Dann ist er aufgetaucht und wieder untergetaucht und wieder aufgetaucht, mit einem irren Grinsen im Gesicht. Dabei war er überhaupt nicht verletzt, sogar seine Verletzungen vom Kampf gegen das Krokodil sind verheilt. Nun sitzt er in seinem Repräsentationsraum und sagt, er sei von Suchos auserwählt. Er lässt sich nur noch mit dem Namen Suchos-moses, Sohn des Suchos, ansprechen. Er plant einen Tempel zu bauen und sich selbst zum Hohen Priester einzusetzen. Glaubt mir, er ist schuld, und er wird noch mehr Unheil über uns bringen!« Erschöpft sank Mesmoses mit dem Kopf auf den Boden.
Kamoses war sprachlos. Wenn dies wahr wäre… Er brach den Gedanken ab.
Schließlich blickte er zu seinen Beratern. Doch die sahen eher aus wie eine Ansammlung von Ratlosen. Dann wandte er sich an seinen Oberbefehlshaber: »Menpehti, bring mir diesen Raffim, auf der Stelle!«
Menpehti war, seit er denken konnte, bei der Palastwache. Wobei dieses Denken äußerst eingeschränkt war und sich fast ausschließlich um die Palastwache drehte. Selbst wenn er nicht dachte, was meistens der Fall war, ging es um die Palastwache.
Er träumte sogar jede Nacht von ihr. In seinen Träumen sah er sich auf einem goldenen Streitwagen, gezogen von vier schrecklichen Seth-Tieren, gefolgt von einem unübersehbaren Heer. Er sah sich in einem prunkvollen Palast, der sein Palast war, mit einer wunderschönen Frau, die seine Frau war, in einem prächtigen Theben, das sein Theben war.
Nun, in Wirklichkeit stand er keineswegs auf einem Streitwagen, sondern auf zwei ziemlich durchgelaufenen Sandalen, und was ihn zog, waren auch keine Seth-Tiere, sondern der Gedanke, dass es ihm eines Tages vielleicht doch besser gehen könnte. Sein durchaus überschaubares Heer bestand aus dreißig Tagedieben, die für den Tempeldienst nicht schlau und für den Steinbruch nicht kräftig genug waren. Sein prunkvoller Palast war eine Kammer mit Pritsche im Palast des Statthalters, und seine wunderschöne Frau war Wirtin in einer Schänke. Aber es war nicht seine Schänke, sondern nur seine
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