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Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Titel: Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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es dünn aus dem Unten.

     
    »Was sollte dieses Vieh rächen wollen, Mesmoses, häh?«, fragte Raffim misstrauisch.
    »Ich meine natürlich nicht, dass es einen Grund für Rache hätte haben dürfen, o mein gütiger Herr. Vielleicht war es nur nicht ganz mit Eurer Behandlung einverstanden«, entgegnete der für Raffim unsichtbare Diener vorsichtig.
    »Das Vieh sollte sich darüber im Klaren sein, dass es einer höheren Aufgabe dient. Ich verstehe nicht, warum Suchos das den Grünschuppern nicht klar macht«, entrüstete sich der Dicke und stöhnte wieder, weil ihm die Aufregung wehtat.
    »Vielleicht ist sein Kontakt zu minderen Krokodilen nicht so gut?«, wandte Mesmoses ein. »Vielleicht kümmert er sich ja mehr um die Menschen, die zu ihm beten?«
    Raffim war sichtlich irritiert.
    »Du glaubst, ER würde sich um die Menschen kümmern, die an IHN glauben?«
    »Es könnte doch sein. Schließlich leben die Götter davon, dass wir an sie glauben, ihnen Tempel bauen und Opfer bringen«, antwortete der Diener schon etwas mutiger.
    Er war Mitglied eines Papyruskreises, wo man sich wöchentlich um die Auslegung der Heiligen Rollen bemühte. Anfangs hatten sie sich nur versammelt, um auf die Heiligen Rollen zu starren, hoffend, dass einer von ihnen mit einer Eingebung gesegnet werden würde. Das lag daran, dass keiner von ihnen lesen oder schreiben konnte. Nach zwei Jahren aber war der halbblinde N’kther zu ihnen gestoßen. Früher hatte er seinen Lebensunterhalt damit verdient, Hieroglyphen in Steine zu meißeln, und dabei hatte er im Lauf der Jahre Lesen und Steinmeißelschreiben gelernt. Normal auf Papyrus schreiben konnte er nicht, schon bei seinen ersten Versuchen zerstörte er einen Monatsvorrat an Federkielen.
    Sein Anschluss hatte dem Papyruskreis ungeheuren Auftrieb gegeben.
    Ab jetzt konnten die Götter über die Schrift zu ihnen sprechen und mussten nicht mehr den direkten Weg in die Ohren und Herzen nehmen.
    Ein Vorteil dieser Art Kommunikation war der Interpretationsspielraum, der nun den Menschen blieb. Sagte früher ein Gott zum Beispiel: »Opfere mir deinen jüngsten Sohn, nimm dein Weib und ziehe nach Memphis«, gab es kein Vertun. Der so Angesprochene packte seinen Sohn auf den Altar, bezahlte dem Priester einen Obolus für die Abnützung seines Obsidianmessers, nahm seine Frau und seine Bündel, zog nach Memphis und versuchte sich dort eine neue Existenz aufzubauen, nicht fragend, was das Ganze überhaupt sollte.
    Kam diese Aufforderung jedoch über die neuen Kommunikationstechnologien, gab es mehr Hintertürchen als Schriftzeichen auf der Rolle.
    »Bin ich gemeint? Wirklich ich?« – »Was bedeutet in diesem semantischen Zusammenhang opfern?« – »Was heißt nimm dein Weib? Wie soll ich es nehmen? Bei der Hand? Wenn ja, an welcher? Und womit? Mit meiner Hand? Mit beiden Händen? Oder gar nicht mit den Händen? Oder vielleicht im Bett?« – »Was ist unter ziehe nach Memphis zu verstehen? Und für wie lange? Und überhaupt, welches Memphis? Das Memphis flussabwärts? Oder das Memphis im sagenumwobenen Merika? Das Memphis Tennessee unserer künftigen Träume?«
     
    Es gibt Fundamentalisten, die behaupten, Toth habe die Schrift nur erfunden, damit sich die Menschen streiten und den Göttern das Wort im Mund respektive im Maul oder im Schnabel umdrehen können. Bei allem, was man über Toths Charakter weiß, sind ihm diese Motive durchaus zuzutrauen.
     
    Mesmoses war einer der eifrigsten und feurigsten Papyrusausleger seiner Gruppe.
    Alles, was er hörte, nahm in seinem Inneren Gestalt an und formte sich nach und nach zu einem Ge samtbild von der Welt, den Göttern und den sozialen Ungerechtigkeiten. Von Letzteren verstand er als Diener besonders viel. Vor allem als Diener bei Raffim.
    Aber er glaubte fest daran, dass die Götter eines schönen Tages seine Gebete erhören und den Ausbeuter samt allen anderen Hyksos in den Nil oder in die Wüste treiben würden, beides mit dem gleichen tödlichen Ausgang. In der Attacke des Krokodils auf Raffim sah er ein Zeichen, das ankündigte, dass dieser Tag nicht mehr allzu fern sei.
     
    Raffim ahnte nichts von den theologischen und prophetischen Fähigkeiten seines Dieners. Ihn plagten im Moment ganz andere Sorgen. Mürrisch entließ er Mesmoses und erhob sich stöhnend. Er ging durch die kleine Tür im hinteren Bereich seines Repräsentationsraumes und einen langen Gang hinunter. Dieser führte direkt zu den sprudelnden Quellen seines Erfolgs, zu den

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