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Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Titel: Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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Wisst Ihr, was diese Zeichen bedeuten?«, wollte Seshmosis wissen.
    »Leider nein, gelehrter Herr. Das Amulett stammt aus dem Nachlass eines Minoers, dessen Göttern es leider gefiel, ihn hier in der Fremde zu sich zu rufen.«
    Seshmosis wusste, was diese Formulierung bedeutete. Der arme Mann war in Byblos schlicht unter die Räuber gefallen, und seine Habe befand sich jetzt im Angebot der Händler des Hafenviertels.
    Der Schreiber schob alle Gedanken an den Vorbesitzer des Amuletts von sich und fragte: »Wie viel wollt Ihr dafür haben?«
    »Fünf Schekel, edler Herr. Nur fünf Schekel, weil Ihr es seid, weit gereister Herr.«
    »Mit fünf Schekel kann ich drei Diener eine Woche lang bezahlen! Mir deucht, Ihr bietet Eure Waren im falschen Viertel an. Einen Schekel will ich Euch wohl dafür geben.« Wie alle Tajarim liebte es Seshmosis über alles zu feilschen.
    »Ihr ruiniert mich, hoher Herr! Meine Frau und meine Kinder müssen essen, auch wenn ich selbst bereit bin zu hungern, nur um Euch einen guten Preis machen zu können. Vier Schekel ist das Minimum.«
    »Ihr wisst ja nicht einmal, was auf dem Amulett geschrieben steht. Vielleicht ist es ein Fluch? Zwei Schekel, und ich gehe das Risiko ein, mit dem Fluch eines Toten zu wandeln.«
    »Wen schert schon die Bedeutung dieser fremden Zeichen, nobler Herr? Hauptsache, sie sind hübsch anzusehen. Für drei Schekel wird das Amulett Euch zieren.«
    »Wer weiß, ob mich nicht die Götter des Minoers zwingen, diesem in Bälde zu folgen? Bevor ich es trage, müsste ich das Amulett von einem Priester bannen und segnen lassen. Das kostet auch wieder. Zweieinhalb Schekel sind mein Höchstgebot!«
    »Meine Frau wird mich verfluchen, weil ich die Kinder hungern lasse, harter Herr. Aber bevor wir heute darben, will ich einwilligen. Zweieinhalb Schekel, und das Prachtstück ist Euer!«
    »Aber dann bekomme ich dazu noch einen Tintenklumpen!«, forderte Seshmosis, dem der Handel sichtlich Spaß machte.
    »Ich wusste schon immer, dass die Leute aus Ägypten mein Ruin sein werden! So wahr ich Nefer heiße! Schließlich komme ich selbst dorther. Aber gut, weil wir beide aus dem Land des Nils stammen, lasse ich meine Familie zuschanden kommen, um Euretwillen!«
    Der Händler nahm das Amulett und reichte es Seshmosis. Dann holte er aus einer Kiste unter dem Tisch einen Tintenklumpen und drückte diesen dem Schreiber in die Hand. Seshmosis verstaute das Amulett in einem ledernen, am Gürtel befestigten Beutel, den Tintenklumpen steckte er in eine Tasche seines Gewands, und dann sagte er versöhnlich: »Ich hoffe, Eure Frau und Eure Kinder verzeihen Euch, dass Ihr so großzügig zu mir wart.«
    »Welche Frau? Welche Kinder?«, grinste ihn der Händler an.
    Seshmosis konnte sich ein Lachen nicht verkneifen und verließ den Stand.
    Die Händler von Byblos sind alle Krokodile, dachte er bei sich, und beim Stichwort ›Krokodile‹ fielen ihm wieder Raffim und sein Diebstahl ein. Der dicke, pockennarbige Geschäftsmann passte wirklich gut in diese Stadt, sie war für ihn wie geschaffen. Oder er für sie.
    Ohne zu überlegen, schlenderte der Schreiber die letzte Terrassenstufe zum Hafen hinunter. Bald schon sah er die Schiffe, die im geschützten Hafenbecken vor Anker lagen. Bereits während man in Ägypten an der großen Pyramide gebaut hatte, hatte man hier die natürliche Bucht genutzt, mit einer langen Kaimauer fast geschlossen und mit einer kleinen Festung geschützt. Von dieser Bucht aus, der Urzelle von Byblos, wuchs die Stadt terrassenförmig nach oben, dem Libanongebirge mit seinen reichen Zedernwäldern entgegen.
    Das imposanteste Gebäude in der Häuserzeile direkt am Meer war das der Hafenmeisterei. Hier musste sich jeder Kapitän melden, der Byblos angelaufen hatte. Dann begleiteten ihn mehrere Inspektoren auf sein Schiff, taxierten seine Ladung und legten den Zoll fest, der zu entrichten war. Der Herrscher von Byblos war ein kluger, geschäftstüchtiger Mann, und deshalb verlangte er weniger Zoll als die Herrscher von Ugarit, Sidon oder Tyros. Während diese zehn Prozent des Warenwertes einforderten, begnügte man sich in Byblos mit bescheidenen vier Prozent. Die Rechnung des hiesigen Herrschers war denkbar einfach: Bei zehn Prozent Abgaben würden es die Kapitäne und Handelsherren vorziehen, zu dem Hafen zu segeln, der nur vier verlangte. Und wenn ein Schiff den Hafen verließ, wurden wieder vier Prozent Zoll fällig. Es gab Kapitäne, die seit zwanzig Jahren immer wieder

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