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Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Titel: Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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entsprachen der Erinnerung in Arams unfehlbarem Gedächtnis. Es fehlte nur noch eines: das Wasser.
    Das Wasser aus dem tiefschwarzen Meer, das Amentet umspülte, kam nicht in Frage, denn es war salzig. Dieses Meer wurde nämlich seit Anbeginn der Zeit von den Millionen und Milliarden Tränen der trauernden Hinterbliebenen gespeist.
    So befand sich Aram, tagelang das Westreich durchwandernd, auf der Suche nach einer geeigneten Quelle. Und er wurde fündig. Hinter dem Palast des Kriegsgottes Month entdeckte er einen kleinen, sauberen Fluss. Der falkenköpfige Herr des Krieges befand sich, Gott sei Dank, gerade auf einer Dienstreise in der Menschenweit, sodass Aram nicht befürchten musste, ihm zu begegnen. Immerhin hieß es über diesen Gott: »Er ernährt sich nicht von den Produkten der Erde. Sein Brot sind die Herzen, und sein Wasser ist das Blut.« Das ließ eine Begegnung mit Month auch für einen Toten kaum erstrebenswert erscheinen.
    Aram stellte eine kleine Kolonne kräftiger Uschebti zusammen und ließ sie einen Kanal vom Fluss zum Badehaus graben und diesen ausmauern. Einer der Vorzüge Amentets war, dass hier Arbeiten ungeheuer schnell vorangingen und kein Arbeiter je zu klagen wagte. Denn bei Faulheit, schlechter Leistung oder gar Verweigerung drohten die allgegenwärtigen großen ›Zerreißer‹ und ›Verschlinger‹ des Totengerichts.
    Schon bald sprudelte frisches Wasser im Badehaus. Alle Becken zeigten sich wohl gefüllt, und Aram präsentierte seinem Herrn Anubis demütig das Ergebnis.
    Mit sichtlichem Stolz inspizierte der Gott das fertige Werk. Er, der Herr des Endes, der Zerstörer des Lebens, der Begleiter der allerletzten Stunde, hatte etwas Neues geschaffen. Besser gesagt, schaffen lassen. Die völlig andersartige Erfahrung, für etwas Konstruktives verantwortlich zu sein, berauschte Anubis regelrecht. Ausgelassen tanzte der schakalköpfige Totenrichter um das große Kaltwasserbecken.
    »Ich werde die Götter zu einem rauschenden Fest einladen. Jawohl, ich, Anubis, werde ein Fest ausrichten. Wie lange habe ich das schon nicht mehr getan! Ich denke, seit meiner göttlichen Existenzwerdung nicht mehr!«
    Aram genoss die Freude seines Gottes. Plötzlich legte dieser eine Hand auf seine Schulter und verkündete: »Ich werde vorschlagen, dass man dich zum Gott der Badefreuden ernennt. Gleich bei meinem großen Einweihungsfest.«
    Aram zersprang fast vor Freude und Stolz. Seit seinem Ableben hatte er sich nicht mehr so wohlgefühlt.
     
    *
     
    Seshmosis eilte zur großen Halle, dem zentralen Raum des kleinen Palasts. Zu seiner Überraschung traf er dort nicht nur Kalala und ihren Freund und Dauerbegleiter El Vis, sondern auch seinen Intimfeind Raffim, den ehemaligen Nilschiffer Zerberuh, den Stoffhändler Mani und den Gebrauchtwarenhändler Barsil, den man hinter seinem Rücken auch Dieb und Hehler nannte. Zweifellos eine illustre Gesellschaft, aber keineswegs nach Seshmosis' Geschmack. Die Versammlung bildete sozusagen die ›High Society‹ der Tajarim, was nichts anderes hieß, als dass jede und jeder von ihnen auf Kosten anderer zu seinem Reichtum gekommen war. Prinzessin Kalala verdankte ihr Vermögen dem Statthalter von Theben, und der Schiffer Zerberuh hatte seinem Konkurrenten Warn'keter sein Schiff Windsbraut verkauft und später durch Erpressung wieder abgenommen. Mani, der Stoffhändler, schreckte nicht davor zurück, sich seine Textilien auch des Nachts in Tempeln und Gräbern zu beschaffen. In Theben hatte er einst einem Amunpriester innerhalb von zwei Wochen viermal denselben Mantel verkauft. Barsil machte sich nicht einmal die Mühe, die zwielichtige Herkunft seiner Waren zu verschleiern.
    Seshmosis erinnerte sich noch gut daran, wie Barsil versucht hatte, Zerberuh dessen eigene, vorher gestohlene Lieblingsstatuette der Göttin Thoeris anzudrehen. Nur das beherzte Eingreifen einiger Tajarim hatte damals verhindern können, dass Zerberuh den Strick um Barsils Hals endgültig zuzog. Und Raffim, na ja, der war eben Raffim.
    »Willkommen, Seshmosis«, begrüßte Kalala den Schreiber mit ihrer unvergleichlich sanften Stimme. »Aus besonderem Anlass bitten wir dich, an dieser Versammlung teilzunehmen.«
    Seshmosis verneigte sich höflich und nahm Platz.
    Dann ergriff Zerberuh das Wort: »Liebe Kalala, liebe Freunde, nun ist es offiziell: Qazabal, der Fürst von Byblos, hat die Gründung unserer Anteilsgesellschaft bestätigt. Damit ist die Tajarim AG ab sofort voll geschäftsfähig!«
    Aus

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