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Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Titel: Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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schlachten sich gegenseitig heldenhaft ab.«
    »Also genau wie hier! Ob Maus, Frosch oder Mensch, in ihrem Verhalten sind alle gleich.« Nun schüttelte sich auch Seshmosis vor Lachen. Die Eitelkeit der achäischen Fürsten entbehrte nicht einer unfreiwilligen Komik. Um ihres Ruhmes willen ließen sie sich mit Mäusen und Fröschen vergleichen.
    »Aber ich verstehe nicht, warum sie eine solche Art der Rühmung brauchen. So viel ich bisher erfahren habe, stammen etliche dieser vornehmen Fürsten von den Göttern ab«, wandte Seshmosis ein.
    Aufgebracht von dieser Bemerkung, erhob sich der Blinde und ging wütend in der Hütte auf und ab.
    »Jeder dahergelaufene achäische Schlächter führt seinen Stammbaum auf einen Gott zurück, weil seine Mutter sich nicht mehr erinnern kann oder will, mit wem sie geschlafen hat. Ist ja auch schwer zu erklären, wo das neue Kind herkommt, wenn der Herr Gemahl nach einem Jahr oder zwei von seinen Abenteuern zurückkehrt. Natürlich hat auch er in der Fremde Kinder mit Frauen gezeugt, die mit anderen Männern vermählt sind, die sich gerade in der Fremde befanden. Und deshalb kommen in jeder Generation neue göttliche Wechselbälger dazu. Agamemnon, Menelaos, Idomeneus und Aias der Große stammen zum Beispiel von Zeus ab, wie auch die gesamte trojanische Königsfamilie mit Hektor und Paris. Die Athener stammen natürlich von Athene ab, das heißt, ebenfalls von Zeus. Schau dir Perseus an! Er ist der Sohn von Zeus; aber der Urenkel des Perseus, Herakles, ist ebenfalls ein Sohn von Zeus. Das heißt, Perseus ist der Urgroßvater und gleichzeitig der Halbbruder von Herakles! Kein Wunder, dass man bei solchen Familienverhältnissen wahnsinnig wird. Dieser ganze verdammte Krieg hier ist nichts anderes als ein gegenseitiges Gemetzel unter Inzüchtigen! Und die Beteiligten sind allesamt von einem bösen Geist besessen: Hybris! Die absolut vermessene Selbsterhöhung und Selbstüberschätzung.«
    In diesem Augenblick erschien ein behelmter Kopf in der Tür und fragte: »Ist Medon hier?«
    Als der Krieger erkannte, dass niemand außer dem blinden Dichter und einem Fremden im Raum war, verschwand er wortlos.
    Homeros erbleichte und suchte tastend nach seinem Sessel. Als er ihn gefunden hatte, ließ er sich hineinsinken und atmete hörbar aus.
    »Homeros! Was ist mit dir? Ist dir nicht gut?«, fragte Seshmosis besorgt.
    »Sie betrügen mich«, flüsterte der Dichter.
    »Mit Sicherheit tun sie das. Das macht Raffim mit mir auch immer wieder. Aber was meinst du jetzt speziell?«
    »Hol bitte die Schriftrolle mit dem roten Band und der Nummer 15 darauf. Dann such bitte den Vers 325 und lies vor!«
    Seshmosis tat wie ihm geheißen:
    »›Wie wenn ein Raubtierpaar verwirrend im nächtlichen Dunkel
    Einbricht in eine Herde von Rindern oder Schafen –
    Plötzlich taucht es auf, wenn der Hirte gerade nicht da ist –:
    Also flohn die Achäer, abwehrlos, denn Apollon Schreckte sie, doch er gewährte Ruhm den Troern und Hektor.
    Da erschlug Mann den Mann in aufgelöstem Gefechte.
    Hektor tötete Stichios da und Arkesilaos,
    Diesen, den Führer der erzgeschirmten böotischen Scharen,
    Jenen des hochgemuten Menestheus treuen Gefährten.
    Doch Aineias gewann des Medon und Iasos Waffen …‹«
    »Wusste ich's doch!«, unterbrach Homeros den Vortrag. »Medon ist bereits tot, und nun fragt dieser Krieger nach ihm. Sie erzählen mir lauter Lügen! Doch bitte fahre fort.«
    »›Doch Aineias gewann des Medon und Iasos Waffen; Der war ein Bastardsohn des göttergleichen Oileus, Medon, ein Bruder des Aias, welcher in Phylake wohnte, Von der Heimat entfernt, weil er umgebracht einen Verwandten seiner Stiefmutter, der Eriopis, der Frau des Oileus …‹«
    Seshmosis brach ab. »Nun geht es mit Iasos weiter.«
    »Ich weiß«, räumte Homeros ein. »Schließlich ist es mein Epos. Tja, da haben sie mich ganz schön hinters Licht geführt. Erzählen mir von heroisch gefallenen Kriegern, die in Wirklichkeit quicklebendig im Lager herumlaufen. Doch auch das wird Medon nicht retten. Starb er nicht damals, so wird es ihn in einer anderen Schlacht erwischen.«
    »Aber mit Geschichtsschreibung hat das Ganze ja wohl nichts mehr zu tun«, bemängelte Seshmosis.
    »Mein junger Freund, du musst noch viel lernen. Wie sagte schon ein völlig vergessener Kriegsherr der westlichen Regionen: Was ist Historie anderes als eine Fabel, auf die man sich geeinigt hat? Und der Mann hat Recht! Die Geschichte wird nicht von den Verlierern,

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