Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer
Gehilfen. Wie viele hattest du denn schon?«
Homeros antwortete nicht. Nach einiger Zeit wiederholte Seshmosis seine Frage.
»Ich habe dich schon verstanden«, antwortete Homeros. »Aber ich zähle noch.«
»Und was ist mit deinem letzten Gehilfen und deinen anderen Gehilfen passiert?« Eine ungute Vermutung beschlich Seshmosis.
»Du willst es nicht wirklich wissen«, wehrte Homeros ab.
»Doch, ich will es wissen!«, beharrte Seshmosis.
»Entweder haben sie mich bestohlen und sind dann weggelaufen, oder sie sind weggelaufen, ohne etwas mitzunehmen. Und diejenigen, die nicht rechtzeitig weggelaufen sind, fielen der Zensur zum Opfer.«
»Was bedeutet das denn?«, fragte Seshmosis entgeistert.
»Das bedeutet, dass sie von den Zensoren geopfert wurden. Meist auf dem Altar der Athene.«
Seshmosis überlegte ernsthaft, ob er seine Zusage nicht zurückziehen sollte, doch irgendetwas hielt ihn davon ab. Und es war mit Sicherheit nicht sein Selbsterhaltungstrieb. Stattdessen sagte er: »Ich gehe jetzt zu unserem Schiff und hole meine Sachen.«
Kurz darauf packte Seshmosis an Bord der Gublas Stolz seine wenigen Habseligkeiten zusammen.
Welcher Dämon hat mich nur geritten, dass ich auf dieses Angebot eingegangen bin?, fragte er sich.
»Es ist nicht schön, dass du mich einen Dämon nennst«, sagte GON, der in diesem Augenblick als rot getigerte Katze auf seinem Schrein materialisierte.
»Hast du mich diesen Posten annehmen lassen? Ich hätte es mir denken können. Die ganze Sache wird sicher wieder furchtbar gefährlich, ich werde wiederholt in Lebensgefahr geraten und mir ein bleibendes Trauma holen, oder irre ich mich?«
»Ich werde dich nicht enttäuschen«, versprach der Nomadengott.
»Wie soll ich das wieder verstehen?«
»Vorsicht, mein lieber Prophet! Du solltest nicht so despektierlich mit deinem Gott reden. Die Gefahren und all das andere, das dir Unbehagen bereitet, sind leider unvermeidlich. Aber dir wird nichts geschehen.«
»Ist das ein Versprechen?«, fragte Seshmosis nach.
»Ja, ich habe mich versprochen«, antwortete die Katze und grinste verschmitzt. Aber bevor Seshmosis noch etwas einwenden konnte, fuhr sie fort: »Selbstverständlich stehst du wie immer unter meinem persönlichen Schutz. Du wirst jeden Tag die gewohnte ›Stunde des Dankes‹ am Strand abhalten, damit ich den Tajarim Trost und Zuversicht spenden kann. Und jetzt lass uns bei Homeros einziehen!«
*
Mursil zog mit einem Eselskarren und Metin durch das Lager der Achäer und suchte einen geeigneten Ort, wo er an diesem Tag seinen mobilen Gyrosstand aufbauen konnte. Als sie den Grabhügel des Achilleus passierten, spuckte der Knabe darauf.
»Vorsichtig, mein Kleiner!«, ermahnte ihn Mursil. »Einer der achäischen Hunde könnte dich sehen. Oder gar der Geist des Achilleus, was wesentlich schlimmer wäre.«
Doch Metin sah seinen Herrn nur mit flackernden Augen an, und der Hethiter fragte sich, ob dies die Vorboten des Wahnsinns waren.
*
Das durch die Mysianer gestärkte Heer der Trojaner sammelte sich in der Ebene vor den Stadtmauern. Eurypylus stand mit Aineias beim großen, alten Feigenbaum, der seit zehn Jahren den Kriegern als Wegzeichen diente. Aineias, der Sohn des Anchises und der Göttin Aphrodite, war nach Hektors Tod nun der stärkste und tapferste der Trojaner. Mit dem Schlachtruf »Werft sie ins Meer!« stürmten die beiden Heerführer nun mit ihren Streitwagen und ihren Männern voran zum Lager der Achäer. Deren Verteidigung war schlecht organisiert. Menelaos lag trunken in seinem Zelt, und Agamemnon, der oberste Heerführer der Achäer, vergnügte sich mit einer seiner zahlreichen Konkubinen, während vor der Mauer des Lagers die Krieger in den Staub sanken. Einer der Ersten, der fiel, war Nireus, den man »den Schönsten« unter den Achäern nannte. Durchbohrt von der Lanze des Eurypylus, hauchte er sein Leben aus. Nach alter Tradition wollte ihm der Mysianer den Brustpanzer als Trophäe rauben, doch das erzürnte Machaon, den Arzt und Krieger, und er stieß dem über Nireus' Leichnam gebeugten Eurypylus voll Zorn seinen Speer in die Schulter. Eurypylus brüllte vor Schmerz und stürzte sich wie ein verwundeter, rasender Eber auf den Achäer. Dieser versuchte sich mit einem Steinwurf zu wehren, doch Eurypylus drang unbeeindruckt weiter auf ihn ein und bohrte ihm den Speer so tief in die Brust, dass er hinten wieder austrat. Machaon, der hoffnungsvolle Spross des großen Heilers Asklepios,
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