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Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Titel: Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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Wellen des Flusses Skamander überschwemmten die Ufer. Gleißende Blitze sprangen von den Waffen der Athene, und die züngelnden Schlangen des Gorgonenhauptes auf ihrem Brustschild standen in Flammen. »Ares!«, schrie die Göttin. »Ich schlage dich persönlich in Stücke, wenn du dich nicht augenblicklich von Neoptolemos abwendest!«
    »Einen Deut werde ich tun«, entgegnete der Kriegsgott. »Ich schicke den Knaben zu seinem Vater in den Hades!« Sprach es und erhob sein Schwert gegen Athene.
    Die beiden wären wohl in einem fürchterlichen Zweikampf aufeinander losgegangen, hätte nicht in diesem Augenblick Zeus mit einem warnenden Donnerschlag eingegriffen. Ares und Athene erkannten, dass sie zu weit gegangen waren, und zogen sich zurück.
    In der Menschenwelt vor Troja wunderten sich beide Seiten über das Geschehen. Sie nahmen es als göttliches Zeichen, die Schlacht abzubrechen. Die Achäer suchten den Schutz ihres Lagers, die Trojaner den der Mauern ihrer Stadt. Doch schnell bevölkerte sich die verwüstete Ebene erneut, nur dass es diesmal keine Krieger waren. Das Kommando übernahmen nun die Wundärzte und Todesengel, die manchem der Schwerstverletzten den erlösenden Gnadenstoß gaben. Sklaven und Frauen beider Parteien schleppten die Gefallenen zu großen Holzstößen, sorgfältig darauf achtend, dass vor dem Schiffslager nur Achäer und vor den Stadtmauern nur Trojaner aufgeschichtet wurden. Noch eine dritte Gruppe kämpfte sich wütend mit Karren durch den Schlamm, den Athenes Überschwemmung zurückgelassen hatte, und sammelte Pfeile und Steine ein – Mursils Familie. Dass dabei auch so mancher Ring von toten Fingern rutschte, war bei dieser Tätigkeit ein häufig beobachtetes Phänomen.
     
    *
     
    Zur ›Stunde des Dankes‹ versammelten sich nicht nur die Tajarim und die phönizischen Seeleute, sondern auch noch mehr Achäer als am Vortag. Die Ereignisse am Strand hatten sich herumgesprochen, und viele Krieger, die davon gehört hatten, waren neugierig, ob vielleicht wieder eine Feuersäule erscheinen würde. Doch der Nomadengott verzichtete auf einen weiteren spektakulären Auftritt, und so trollten sich die Achäer enttäuscht zu ihren üblichen Aufgaben.
     
    *
     
    Nun fand Neoptolemos endlich die Zeit, das Grab seines Vaters Achilleus zu besuchen. Er stieg auf den aufgeschütteten Hügel und küsste die Säule, die man zur Erinnerung an den großen Helden darauf errichtet hatte. Seufzend und voll Wehmut sprach er:
    »Sei mir gegrüßt unter den Toten, mein Vater! Du, der mich nie sah! Du, dem ich nie begegnen durfte! Sie sagen, ich sei dir ähnlich, und ich verspreche dir, ich will der Schrecken der Feinde der Achäer sein, so wie du es warst.«
    So verließ er den Grabhügel und suchte das Zelt des Odysseus auf. Ungeduldig wurde er dort schon erwartet.
    »Uns bleibt nicht viel Zeit zu ruhen, junger Freund. Der weise Seher Kalchas teilte mir mit, dass wir nur Erfolg haben können, wenn sich auch der zweite Teil seiner Prophezeiung erfüllt. Wir brauchen unbedingt die Pfeile des Herakles, die sich im Besitz des Philoktetes befinden. Es wird ein schwerer Gang für mich, weil ich es doch war, der den kranken Philoktetes auf Lemnos aussetzen ließ. Ohne deine Hilfe wird er sich bestimmt nicht mit uns versöhnen.«
    »Dann lass uns aufbrechen, Listenreicher. Ich brenne darauf, die Trojaner endgültig zu besiegen!«
     
    *
     
    Die Achäer winkten dem unscheinbaren Schiff nach, das Odysseus und Neoptolemos nach Lemnos und ihnen dadurch den Sieg bringen sollte. Dann wandten sie sich wieder den Tätigkeiten zu, denen sie immer während einer Waffenruhe nachgingen.
    Sie bestatteten ihre Toten, betranken sich sinnlos, stritten sich um Sklavinnen und folterten gefangene Trojaner. Natürlich nicht zu ihrem Vergnügen, wie sie stets beteuerten, sondern nur im Dienst der höheren Sache. Schließlich ging es darum, die Überlegenheit ihrer – der achäischen – Kultur gegenüber der unterlegenen trojanischen Kultur zu demonstrieren und durchzusetzen. Die Hethiter und all ihre Verbündeten an der Küste Kleinasiens waren für die Achäer einfach nur Barbaren, die man in ihre Schranken weisen musste. Da sollte es doch erlaubt sein, für lebenswichtige Informationen drastische körperliche Mittel einzusetzen. Schließlich kämpfte man gegen den trojanischen Terror.
     
    In den Feldschmieden der Achäer verwandelten sich derweil Raffims Ankersteine nach und nach in eiserne Schwerter. In Schwerter, die den

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