Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Titel: Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
Vom Netzwerk:
als Odin in Asgard dem treuen Wächter Heimdali befahl, sein Horn zu blasen. Ein Kreischen ging durch das dunkle Reich, und die ganze Welt und eine Seherin lösten sich aus dem Schatten der Finsternis. Die Seherin stellte sich vor das frisch verstorbene Götterpaar und verkündete in schauerlichem Gesang:
     
    »Eine Alte östlich
    des Erzwald saß;
    die Brut Fenrirs
    gebar sie dort.
    Von ihnen allen
    wird einer dann
    des Taglichts Töter
    trollgestaltet.
     
    Erfüllt sich mit Fleisch
    gefallner Männer,
    rötet mit Blut
    der Rater Sitz.
     
    Schwarz wird die Sonne
    die Sommer drauf;
    Wetter wüten –
    wisst ihr noch mehr?
     
    Gellend heult Garm
    vor Gnipahellir:
    es reißt die Fessel,
    es rennt der Wolf.
    Vieles weiß ich,
    Fernes schau ich:
    Der Rater Schicksal,
    der Schlachtgötter Sturz.
     
    Brüder kämpfen
    und bringen sich Tod,
    Brudersöhne
    brechen die Sippe;
    arg ist die Welt,
    Ehbruch furchtbar,
    Schwertzeit, Axtzeit,
    Schilde bersten,
    Windzeit, Wolfzeit,
    bis die Welt vergeht –
    nicht einer will
    den anderen schonen.« 5
     
    Baldur wusste: Es war so weit – Ragnarök, das Schicksal der Götter, nahm seinen Lauf. Heimdalls Hornruf würde die Frostriesen wecken und die Heere Muspellheims aufbrechen lassen. Naglfar, das schrecklichste aller Schiffe, gebaut aus den Finger- und Fußnägeln der toten Menschen, lief aus. Der Fenriswolf riss an seinen Fesseln, und die Midgardschlange erwachte. Wer oder was sollte jetzt noch den Untergang aufhalten?
     
    *
     
    »Da sagte ich zu dem alten Leichenfresser: Wenn du dem Wurzelwurm etwas zu erzählen hast, dann schwing dich in Zukunft gefälligst persönlich nach unten. Genau das sagte ich!«
    Ratatöskr stand auf Heidruns Kopf und hielt sich an ihren Hörnern fest.
    »Wie ich dich kenne, hast du dich sang- und klanglos verkrümelt, Nagezahn«, sagte Heidrun in ihrer entwaffnenden, direkten Art. »Aber recht hast du! In diesen Zeiten muss jeder sehen, wo er bleibt. Bist du sicher, dass Gullinborsti die anderen hierherführt?«
    »Ganz sicher. Das Goldschwein hat bestimmt keine Lust, seine wertvollen Borsten irgendeiner Gefahr auszusetzen.«
    Seit Heimdalls Horn erklungen war, warteten Heidrun und Ratatöskr nahe der Stelle, an der die Regenbogenbrücke Bilfröst die Erde berührte. Sie wollten die mythischen Tiere in Empfang nehmen und gleich zu Gamlis Hof geleiten.
    Auf dem Hof traf man inzwischen fieberhafte Vorbereitungen für die Ankunft weiterer künftiger Bewohner. Der Hofherr Gamli Stein, seine Frau und die vier Kinder hatten im Haus durch eine schnell eingezogene Trennwand aus Brettern zusätzlichen Platz für die erwarteten Tiere geschaffen. Dazu wurde ein alter Kellerstollen entrümpelt, um der Abteilung »Reißzähne und Krallen«, wie Heidrun die Wölfe nannte, einen eigenen Raum zu geben. Die Schafe nahmen es mit sichtlicher Erleichterung auf, dass Skalli und Hati des Nachts nicht mehr mit ihnen in einem Stall schliefen.
     
    Unvermittelt entdeckte Ratatöskr eine Bewegung am Fuß der Brücke. Zwei schwarze Schemen schossen mit hoher Geschwindigkeit aus den Farben des Regenbogens in die graugrüne Welt von Eisland. Die beiden Raben Hugin und Munin bildeten die Vorhut der Flüchtlinge.
    »Juhu!«, jubilierte das Eichhörnchen. »Die Hornklauen sind auch dabei. Endlich haben wir eine vernünftige Luftaufklärung!«
    Gleich hinter den Raben raste ein hell leuchtendes Oval über den kargen Boden, eindeutig Gullinborsti, der Eber von Freyr, gefolgt von Freyjas Luchsen, die sich aus reiner Neugier den anderen angeschlossen hatten.
    Thors Ziegenböcke Zähneknisterer und Zähneknirscher rannten Seite an Seite neben Odins Wölfen Geri und Freki. Doch sie alle jagten nichts, vielmehr schienen sie es zu sein, die gejagt wurden. Denn hinter Eber, Luchsen, Ziegen und Wölfen raste die Herde der göttlichen Pferde.
    Unter der Führung des achtbeinigen Sleipnir galoppierten Gisl und Glad, Sinir und Skinfaxi, Gullfaxi und Hrimfaxi, Skeidbrimir und Falhófnir, Gulltopp und Léttfeti, Arwakr und Alswidr nach Midgard.
    Aus dem Eisländischen übersetzt hieß die Herde unter Führung von Hufschnell Gelber und Muntrer, Sehnig und Leuchtmähne, Goldmähne und Reifmähne, Gleißner und Fahlhuf, Goldstirn und Leichtfuß, Frühwach und Allbehänd.
     
    *
     
    Der namenlose Planet existierte erst seit zehn Minuten. Der große Weltenschöpfer hatte ihn in eine Umlaufbahn um eine bis dahin einsame Sonne gesetzt, damit sich die Verhandlungsparteien an einem absolut neutralen

Weitere Kostenlose Bücher