Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Titel: Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
Vom Netzwerk:
ist er ausgerastet. Völlig überzogen! Der Kerl war nämlich in Wirklichkeit der Trickstergott Loki. Der verwandelte mich noch im Wirtshaus in ein Eichhörnchen, packte mich am Genick und warf mich hinaus. Das war das Ende meiner menschlichen Existenz, und seither muss ich als Eichhörnchen am Weltenbaum die Zankbotschaften zwischen dem Drachen in der Wurzel und dem Adler in der Krone hin und her tragen.«
    »Du bist mein Nachkomme?«, fragte Seshmosis ungläubig.
    »So sagt man. Zumindest der andere Eichkater sagt es, der, den du Gott nennst.«
    »Er ist dein Nachfahre, Seshmosis!«
    »Kaum zu glauben. Wo ich doch Glücksspiele hasse. Vielleicht hat er das von seiner Vorfahrin. Von mir hat er es auf jeden Fall nicht!«, entrüstete sich Seshmosis. Im gleichen Augenblick keimte in ihm eine Erinnerung auf. Die Erinnerung an die Amazone Cleite, die erste Frau, mit der er das Lager teilen durfte. Eine Frau, die so ganz anders war als die Mädchen der Tajarim, die bis dahin das Ziel seiner Fantasien gewesen waren. Eine leidenschaftliche Frau, die mit Schwert und Schild besser umgehen konnte als mit Kochtöpfen und Pfannen. Eine Frau, die später Königin der Amazonen werden sollte und die seinen, Seshmosis' Sohn, gebar. Jenen Sohn, der wohl der Vorfahr dieses Eichhörnchens wurde oder gewesen war oder werden sollte. Wieder brachten ihn die Zeiten durcheinander. Waren Amazonen eigentlich neben dem Kampf und der Jagd auch dem Spiel zugetan?
    Doch bevor geklärt werden konnte, woher Ratatöskr seinen Hang zum Glücksspiel hatte, knackte es im nahe gelegenen Birkengehölz. Der eine Eichkater verschwand blitzartig zwischen den Steinen, der andere mit einem Plop. Zurück blieb ein einsamer, völlig verstörter Seshmosis.
     
    *
     
    Selbst die vier mächtigen Hirsche der Zeit, Dain, Dwalin, Duneyr und Dyrathor, spürten die dramatische Veränderung. Das Entsetzen von Midgard berührte inzwischen auch den Weltenbaum. Immer wieder hielten die Hirsche beim Äsen inne und blickten sich um. Obwohl sie fraßen, schien die Zeit stillzustehen. Keine knospende Stunde wurde zwischen den gewaltigen Zähnen mehr zermalmt, geschweige denn blühende Tage oder gar sich verästelnde Jahre.
    Noch nie zuvor hatte es eine Zeit gegeben, in der ein fallendes Blatt den Boden nicht erreichte.
     
    *
     
    Das Leben in Asgard lag danieder. Die toten Krieger in Walhall dösten mehr, als dass sie der letzten Schlacht entgegenfieberten. Derweil stapelten die Lichtalben auf dem Idafeld in übertriebener Geschäftigkeit Schwerter und Äxte, Helme und Schilder. Die Walküren trafen sich, um die Welt in Schlachtfeldzonen aufzuteilen. Schließlich wollte man sich nicht gegenseitig ins Gehege kommen, wenn es galt, die tapfersten und schönsten gefallenen Helden einzusammeln und aufzustapeln. Sie wussten, dass sie diesmal viel Platz, sehr viel Platz brauchen würden. Personalnot kannte man bei den Schildjungfern allerdings nicht. Ganz im Gegenteil, hatte man ihre ursprüngliche Zahl von zwölf längst von Generation zu Generation erhöht, und inzwischen war völlig offen, wie viele Walküren es geben durfte. Das lag zum einen daran, dass Odin gerne junge Menschenfrauen in einem speziellen, sehr persönlichen Akt zu neuen Walküren kürte, zum anderen am tatsächlich ständig steigenden Bedarf durch die Ausweitungen regionaler und überregionaler bewaffneter Konflikte überall auf der Welt. Auch einem Außenstehenden musste klar sein, dass zwölf wackere Walküren bei weitem nicht ausreichten, all die Leichen von sämtlichen Schlachtfeldern der Erde zu holen. Und die nun bevorstehende Schlacht würde überhaupt keine Überlebenden kennen, weshalb man auch zwischenzeitlich inaktive oder verheiratete Reservistinnen einberief und nach Asgard holte.
    Der Skaldengott Bragi dichtete derzeit an einer letzten Ode, am großen Abgesang. Sich selbst sah er in seinen poetischen Visionen die Kantele spielend und singend, in einen endlosen Abgrund stürzen. Freyja, die Wanengöttin der Fruchtbarkeit, träumte dagegen von einer letzten großen Orgie, in welcher Riesen und Zwerge und ihr eigener Körper eine wesentliche Rolle spielten. Thor stellte sich sein Ende schlicht als Fortsetzung seines jetzigen Lebens vor: Er würde, solange er konnte, mit seinem Hammer Mjöllnir auf alles einschlagen, was sich bewegte. Freyr sah sich am Bug seines Schiffes Luftsegler stehen, immer weiter westwärts segelnd, bis er vom Rand der Welt stürzen würde, hinunter in eine noch tiefere Tiefe

Weitere Kostenlose Bücher