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Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Titel: Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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mein.
    Du wischtest, Weib,
    willst du's hören,
    oft von der Hand
    dir Heldenblut.
     
    Darauf Brünhild sang:
    Der kühne Fürst
    nahm die Flughemden
    unter der Eiche
    uns acht Schwestern.
    Zwölf Winter war ich,
    willst du's hören,
    als dem jungen Edling
    ich Eide schwor.
     
    Da ließ ich den Greis
    im Gotenvolk,
    Helmgunther, bald
    zur Hel ziehen.
    Gab Agnar Sieg,
    Audas Bruder,
    ingrimmig ward
    mir Odin darum.
     
    Er schloss im Schlachthain
    mit Schilden mich ein –
    Rand stieß an Rand –
    roten und weißen.
    Es durfte vom Schlaf
    der nur mich wecken,
    dem Furcht immer
    fremd geblieben.« 7
     
    Der Fremde hielt inne und blickte in die Runde. Die Zuhörerwaren wie entrückt von dem wunderbaren Gesang. Aber wenn der alte Skalde auf Verständnis gehofft hatte, wurde er enttäuscht. Allein in Sampos Augen blitzte ein Funken Erkennen, doch blieb es mehr ein Ahnen als ein Verstehen.
    Der Alte lächelte und zeigte Seshmosis die Zunge.
    Mit Erstaunen sah dieser, dass auf der Zunge des Sängers Runen leuchteten.
    Hilfesuchend blickte der Schreiber zu Sampo. Doch dieser beachtete ihn überhaupt nicht. Stattdessen sprang er auf, um sich sofort vor dem Fremden auf den Boden zu werfen.
    »Heil dir, großer Bragi! Ich bin geehrt und beglückt durch deine Gegenwart!«
    »Ich danke dir, mein junger Skalde aus dem fernen Land der Samen. Erhebe dich und setz dich wieder zu uns. Unterwerfung geziemt sich nicht für Runenkundige.«
    Seshmosis überlegte fieberhaft, wer der Alte sein könnte und was hier eigentlich geschah. Endlich erlöste ihn Sampo von seiner Anspannung.
    »Das ist der große Skalde Bragi, der, in dessen Zunge Runen geritzt sind. Er ist der Begründer unserer Dichtkunst und sang schon vor zweihundert Jahren zu der Helden und der Götter Ruhm.«
    »Für zweihundert Jahre hat er sich erstaunlich gut gehalten«, wagte Elimas zu bemerken.
    Der Alte lachte schallend. »Da hast du recht, weiser Mann aus fernem Land! Dank Odin bin ich immer noch so alt wie am Tag meines Todes.«
    »Du bist tot? Dann bist du wohl so einer wie mein Freund Aram?«, fragte Seshmosis versonnen. »Der lebt jetzt als Untoter auf Kreta und hütet das Goldene Kalb.«
    »Nein, ich bin kein Untoter! Odin erhob mich in den Stand der Asen, seitdem wirke ich als Skaldengott.«
    »Man sagt, du seiest der Sohn von Odin.« Sampo war inzwischen vor Bewunderung fast erstarrt.
    »Nein, das ist Unsinn! Ich bin der Sohn von Bodda, weshalb ich auch Bragi Boddason genannt werde. Das mit Odins Sohn ist eine Metapher, eine symbolische Bezeichnung, die für alle Runenkundigen gilt, auch für dich, Sampo.«
    »Du lebst in Asgard, edler Bragi?«, fragte Seshmosis.
    »Ja. Seite an Seite mit Odin und den anderen Göttern. Zum Dank erfreue ich sie mit meinem Gesang.«
    »Dein Gesang ist wirklich wunderbar. Ich liebe deine Stimme und dein Spiel auf der Kantele. Doch was wolltest du uns mit deinem rätselhaften Lied sagen?«
    »Oh, nur ein kleiner Hinweis auf Künftiges. Sehr Künftiges und nah Künftiges; wenn es denn so etwas überhaupt gibt. Brünhildens Helfahrt ist ein Blick in eine mögliche Zukunft, an der ihr Anteil haben könntet. Aber in erster Linie sang ich zu meiner eigenen Freude. Für mich ist das Singen am Lagerfeuer immer noch das Höchste!«
     
    *
     
    Tag und Nacht brannte das Feuer der Waberlohe und beleuchtete Dimmuborgir, die Stadt der Verdammten. Brünhilds Burg Isenstein auf dem Vulkan Hverfjall ragte darüber auf, zum Greifen nah und doch unerreichbar.
    In der Dunkelstadt sorgten die zuckenden Flammen für ein irritierendes Spiel aus Licht und Schatten und malten laufende Bewegungen auf das Gestein. Das erzeugte ständig das Gefühl, dass jemand in der Nähe lauerte. Dadurch steigerte sich die durchaus berechtigte Paranoia der Bewohner ins Unermessliche. Wenn Menschen in extremen Situationen zusammenleben müssen, schaffen sie es, durch rivalisierende Gruppen noch zusätzliche Schwierigkeiten und Gefahren heraufzubeschwören.
    Hier gab es bizarre Bündnisse ebenso wie seit Generationen gepflegte Feindschaften. Entwichene Leibeigene bildeten einen eigenen Clan mit landlosen Wichteln, ehrlose Zwerge kooperierten vorzugsweise mit verbannten Häuptlingen, derer es eine erkleckliche Anzahl gab. Andererseits hassten sich die Skalden und die Schwarzalben bis aufs Blut, und die ehemaligen Bauern und die Wichtel gingen aufeinander los, wo immer sie sich trafen. Der Kampf ums Land endete nicht einmal dann, wenn keiner der Beteiligten mehr welches

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