Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Titel: Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
Vom Netzwerk:
hatte.
     
    Die ganze Stadt war ein Labyrinth aus natürlichen und künstlichen Höhlen, die man in die erstarrte Lava geschlagen hatte. Verwinkelte Gassen, blinde Gänge und unvermittelte Abgründe machten Dimmuborgir zur Falle für jeden Fremden. In der Stadt wimmelte es von Lebewesen in allen denkbaren Formen. Und manche Formen sahen so aus, als hätten deren Schöpfer nicht sehr lange über sie nachgedacht.
    Dimmuborgir war aber auch noch aus anderen Gründen ein merkwürdiger, unwirklicher Ort, denn es gab hier kein Holz, weder zum Bauen noch zum Heizen. Dennoch musste kein Einwohner je frieren, denn die heißen Quellen in und unter der Stadt und der Vulkan bildeten natürliche, nie versiegende Wärmequellen.
     
    Náttfari, den man »die Natter« nannte, Nachfahre entlaufener schwedischer Sklaven, war Anführer einer der Banden von Dimmuborgir. Derzeit war sein Hauptverbündeter eine Familie von ehemaligen Landwichteln, die durch zunehmende menschliche Besiedlung ihren Besitz verloren hatte. Der Clan der Roten Borsten zeichnete sich durch leichte Erregbarkeit und unbändige Militanz aus.
    Für Wesen mit einer Körpergröße von nur einer Unterarmlänge erreichten sie eine ungeheuere Zerstörungskraft.
    Zusammen mit dem Clan der Roten Borsten bildeten Náttfaris Männer die Schwarz-Rote Allianz.
    Der gemeine Landwichtel war am ganzen Körper behaart, besser gesagt, beborstet. Auf dem Kopf standen die leuchtend roten Borsten weit nach oben und endeten in einer gezwirbelten Spitze. So entstand der Eindruck, das Haupt jener Wesen stünde in Flammen.
    Chief Cormick, das Familienoberhaupt des Clans der Roten Borsten, war heute besonders erregt.
    »Du musst etwas unternehmen, Náttfari! Wir haben ein Schutzabkommen! Die verdammten Wölfe haben schon zwei meiner Leute gefressen«, zeterte der Wichtel, und die rote Borstenspitze auf seinem Kopf wippte bedrohlich.
    In diesem Augenblick schubsten einige zerlumpte Bewaffnete drei ebenso zerlumpte Gefangene in den Raum. Die Gefangenen waren Männer, die noch vor nicht allzu langer Zeit den neuen Glauben auf Eisland mit sehr rabiaten Mitteln verbreitet hatten.
    Der blinde Tangbrand wurde von Hallfred geführt, hinter ihnen hinkte Torarin auf Krücken vor den Steinthron von Náttfari.
    »Damit Klarheit herrscht: Mich interessiert nicht im Geringsten, wer ihr seid und was ihr draußen in der anderen Welt wart. Hier seid ihr ein Nichts, und das werdet ihr so lange bleiben, bis ihr es euch leisten könnt, kein Nichts zu sein«, verkündete der Bandenhäuptling.
    Schweigend und mit gesenkten Köpfen hörten die ehemaligen Missionare zu.
    »Mich kümmern Neuankömmlinge nicht, sofern sie keine Schwierigkeiten machen. Aber ihr drei macht große Schwierigkeiten! Ihr habt Wölfe nach Dimmuborgir eingeschleppt. Keine normalen Wölfe, sondern solche, die man nicht totschlagen kann. Ich will keine Wunderwölfe in meiner Stadt! Sorgt dafür, dass die Viecher verschwinden, oder ich sorge dafür, dass ihr verschwindet!«
    »Genau! Verschwinden werdet ihr! In den Bäuchen meiner Familie verschwindet ihr!«, keifte Chief Cormick und sprang drohend vor dem Thron auf und ab.
     
    Draußen vor den Höhlen Náttfaris saßen währenddessen die Wölfe Skalli und Hati und warteten.
     
    *
     
    Auf Gamlis Hof fand derweil eine Vollversammlung aller entlaufenen mythischen Tiere statt. Aller außer Skalli und Hati, die noch in der Missetäterwüste unterwegs waren.
    »Der Allvater versicherte mir, dass ihr nicht bestraft werdet. Es wird eine Strafpredigt geben, aber was soll's? Das überlebt ihr locker.«
    Ratatöskr reckte sich auf dem Zaunpfahl in die Höhe, um zu sehen, ob ihn auch wirklich alle gehört und verstanden hatten.
    Sie hatten. Und sie wollten dem Eichkater folgen. Baldurs Bestattung war vorbei, und Ragnarök war vorerst ausgefallen, also drohte keine Gefahr mehr. So dankbar die Tiere Gamli Stein und seiner Familie waren, so sehr sehnten sie sich nach ihrem alten Leben zurück. Die Zugtiere, egal ob Wölfe, Ziegenböcke, Luchse oder Gullinborsti, liebten ihren Beruf. Die Pferde brauchten die Weite des Idafelds und die endlose göttliche Landschaft. Den Raben Hugin und Munin fehlte der Nervenkitzel, für Odin die ganze Welt auszuspionieren.
    Nur Heidrun und Sährimnir wollten lieber auf Gamlis Hof bleiben.
    Die Ziege konnte keine Betrunkenen mehr ertragen, die an ihrem Euter saugten, und der Eber fand es wesentlich angenehmer, nicht täglich von Wikingern aufgefressen zu werden.

Weitere Kostenlose Bücher