Die Nonne und der Tod
und so laut, dass ich zusammenzuckte, »dann will ich wenigstens mit vollem Bauch sterben. Schieb mir noch mal die Schüssel rüber, Femeke.«
Die anderen lachten, sogar Czyne. Ich sah Stolz und Trotz in ihren Gesichtern.
An diesem Abend fiel es mir zum ersten Mal schwer, ins Kloster zurückzukehren. Das sagte ich auch Georg, der wie immer darauf bestanden hatte, mich bis zu den Mauern zu begleiten.
»Dann bleib doch bei uns«, antwortete er. »Ich glaube nicht, dass jemand etwas dagegen hätte.«
»Redet darüber, wenn ich nicht da bin«, sagte ich, während ich an Czyne und ihre Blicke dachte. »Vielleicht wäre doch nicht jeder damit einverstanden.«
Bei der Klostermauer angelangt, half mir Georg hinauf. »Du lebst wie eine Ratte dort drin«, sagte er leise, als ich mich auf die Krone zog. »Das will keiner von uns.«
Ich nickte ihm zu und ließ mich dann auf die andere Seite in den Klostergarten gleiten.
Mittlerweile kannte ich den Weg zur Kräuterhütte so gut, dass ich ihn auch in dunkelster Nacht fand. Wie eine Ratte, dachte ich, als ich deren schwarze Umrisse vor mir auftauchen sah. Er hat recht. Die Nonnen würden mich mit Fußtritten aus dem Kloster jagen, wüssten sie, dass ich hier bin.
Ich spürte, dass jemand in der Hütte war, als ich die Tür aufzog.
»Keine Angst, ich bin es nur.« Schwester Agnes’ Stimme.
Rasch schloss ich die Tür und entzündete die kleine Öllampe, die auf dem Tisch stand, während ich nervös fragte: »Ist etwas passiert?« Obwohl mich niemand hören konnte, sprach ich leise.
»Nichts Schlimmes, zumindest nicht für dich.«
Es wurde hell in der Hütte, und ich drehte die Flamme herunter, bis der Schein gerade noch reichte, dass wir einander darin ausmachen konnten.
Schwester Agnes saß auf dem einzigen Hocker. Neben ihr auf dem Tisch stand ein Krug mit Wein.
»Es geht um Schwester Johannita.« Ihre Worte flossen ineinander. Anscheinend hatte sie, während sie auf mich gewartet hatte, schon den einen oder anderen Schluck getrunken. »Das ganze Kloster redet von nichts anderem.«
Ich setzte mich auf meine Strohmatratze. »Ist ihr etwas zugestoßen?«
»Nein, sie …« Schwester Agnes überlegte einen Moment, als sei sie nicht sicher, wo sie anfangen sollte. »Du weißt doch, wie sie sich immer aufspielt, wenn sie zu anderen Klöstern reisen muss, um den Nonnen dort beizubringen, wie man richtig mit Pergament umgeht und solches Zeug. Sie ist dann ja auch oft wochenlang unterwegs.« Sie nahm den Krug in beide Hände und schob ihn mir hin. »Mutter Immaculata hat der Äbtissin eines dieser Klöster geschrieben und sie gebeten, Johannita nicht mehr so lange aufzuhalten, weil sie auch hier gebraucht würde.«
Ich nahm einen Schluck Wein. Er war sauer und kalt.
Schwester Agnes wartete, bis ich den Krug abgesetzt hatte, so als befürchtete sie, ich könnte ihn fallenlassen, wenn ich ihre nächsten Worte hörte.
»Heute ist die Antwort gekommen. Schwester Johannita war nie länger als ein paar Tage in diesem Kloster. Mutter Immaculata hat sie bereits zur Rede gestellt, das hat Maria gehört, aber sie weigert sich preiszugeben, wo sie die ganze restliche Zeit gewesen ist und was sie dort getan hat.«
Ich stellte den Krug ab. Auf einmal spürte ich wieder den Arm der Nonne an meiner Kehle und hörte ihre Stimme. Wenn du je jemandem verrätst …
»Ich weiß es.« Die Worte waren heraus, bevor ich darüber nachdenken konnte.
»Was?« Schwester Agnes beugte sich vor. Ich roch den Alkohol in ihrem Atem.
»Sie hat reichen Kindern Lesen und Schreiben beigebracht und sich dafür bezahlen lassen.«
»Was?«, wiederholte Agnes, aber ich wusste, dass ich es nicht wiederholen musste. Stattdessen erzählte ich ihr alles, auch von meiner Ankunft im Kloster und Schwester Johannitas Drohung. Ich hätte Genugtuung oder Scham empfinden sollen, während ich sprach, aber keines dieser Gefühle stellte sich ein, stattdessen fühlte ich mich erleichtert und befreit, als ich schließlich endete.
Schwester Agnes lehnte sich zurück. »Wer hätte das von der unfehlbaren Johannita gedacht? Was, glaubst du, hat sie mit all dem Geld gemacht?«
Ich hob die Schultern. »Vielleicht hat sie es in ihrer Zelle versteckt«, sagte ich, ohne es ernst zu meinen.
»Vielleicht.« Agnes stand auf. Sie musste sich am Tisch abstützen, so sehr schwankte sie im ersten Moment. Ich sprang auf, um sie zu stützen, aber sie winkte ab.
»In meiner Aufregung habe ich zu viel Wein getrunken. Wenn ich erst
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