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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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und seinem Weib den Schädel einschlägt, weil er es nicht ertragen kann, sie verhungern zu sehen! Aber Gott versteht es – ist mir scheißegal, was die Pfaffen dazu sagen! Gott weiß, dass Utz das Richtige getan hat.«
    Ich senkte den Kopf, um Michaels Blick auszuweichen. Ohne es zu merken, hatte ich den Strick so eng um die Hand geschlungen, dass sich meine Finger weiß gefärbt hatten. Ich versuchte mir vorzustellen, was Utz gefühlt haben musste, aber es gelang mir nicht.
    »Warum hat er Mutter nicht um Essen gebeten?«
    Michael antwortete nicht. Es wurde so still, dass ich die Bauern auf ihren Feldern reden hörte. Dann lachte er kurz und trocken, schüttelte den Kopf und ließ mich allein mit dem Toten zurück.
    Utz hatte gefragt, das verstand ich damals schon, auch wenn ich es mir nicht eingestand. Ich erzählte niemandem davon, weder Mutter noch den anderen Kindern noch dem Priester, der zwei Wochen später zum ersten Mal nach dem Winter ins Dorf kam und die Toten segnete, die das Frühjahr nicht mehr erlebt hatten.
    Mit der Zeit erholte sich das Dorf von der Tat. Die Hütte, die Utz angezündet hatte, wurde durch eine neue ersetzt, und frisches Saatgut ging auf seinem Feld auf. Die Erwachsenen begannen über anderes zu reden, über Geburten und Krankheiten, das Wetter und die kleinen Skandale im Dorf. Doch ab und zu, wenn wir Kinder unbeachtet zwischen ihnen spielten, hörte ich jemanden sagen: »Er hat das Richtige getan«, und ich wusste immer, wer damit gemeint war.
    So ging es bis zu dem Tag, an dem die Schausteller kamen.

Kapitel 1
    Es war der Oktober im Jahr 1347.
    »Holt euer Weibsvolk rein! Die Schausteller kommen!«
    Knuts Stimme hallte durch den Regen, überschlug sich beinahe vor Aufregung. Neben mir meckerten die Ziegen. Ich legte die Holzschaufel weg, mit der ich ihren Stall hatte säubern wollen, schlug die Kapuze meines Umhangs hoch und trat nach draußen.
    »Schausteller!«, rief Knut. Die Brombeerhecke, die neben unserer Hütte am Weg wuchs, war in den letzten Jahren so dicht geworden, dass ich ihn nur hören, aber nicht sehen konnte. Neugierig ging ich auf den Klang seiner Stimme zu.
    Ich war nicht die Einzige, das bemerkte ich, als die Hecke mir nicht mehr die Sicht nahm. Auch aus den anderen Hütten traten Menschen, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Die letzte Ernte war vor Tagen eingeholt worden, es gab kaum noch Arbeit auf den Feldern. Die Männer nutzten die Gelegenheit, um sich ein paar Pfennige beim Steinebrechen oder Holzhacken zu verdienen, während die Frauen zuhause blieben und das Gemüse für den Winter einlegten. Sie dürsteten ebenso nach Abwechslung wie ich.
    »Schausteller!«
    Knut tauchte zwischen einigen Hütten und Hühnerställen auf, sprang über die Deichsel eines Karrens hinweg und lief auf den Weg. Matsch spritzte an seinen teuren Lederstiefeln empor. Als er all die Frauen und Mädchen vor den Hütten sah, blieb er stehen. Die Kapuze seines Umhangs war ihm beim Lauf vom Kopf gerutscht. Regenwasser tropfte ihm aus den Haaren. Er stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete uns missbilligend.
    »Schausteller«, wiederholte er zwischen zwei keuchenden Atemzügen. »Habt ihr mich nicht gehört? Bringt euch in Sicherheit.«
    »Ach, halt die Klappe, Knut«, sagte ich so laut, dass es jeder im Dorf hören konnte. Einige lachten, Knut natürlich nicht. Er und ich waren im selben Jahr geboren worden, aber er benahm sich immer noch wie ein Kind. Sein Vater, Bauer Josef, der reichste Mann im Dorf und in Abwesenheit des Fronherrn unser Vorsteher, pflegte zu sagen, Gott habe ihn für seine Sünden mit einem ältesten Sohn bestraft, der nicht einmal zum Ziegenhüten tauge.
    Knut sah mich an, öffnete den Mund, als wolle er zu einer Antwort ansetzen, schloss ihn aber direkt wieder und schüttelte nur stumm den Kopf. Sein Gesicht war so rund und hell wie der Mond, seine Lippen voll wie die eines Mädchens. Hinter seinem Rücken nannten wir ihn »Knutine«.
    »Ihr werdet schon sehen«, sagte er, als er die Daumen hinter den Gürtel hakte und sich abwandte. »Vorlautes Weibsvolk.«
    Die letzten Worte flüsterte er, aber ich verstand sie trotzdem.
    Else und Erna, Töchter eines Tagelöhners, die mir gegenüber vor ihrer kleinen Hütte standen, sahen mich erwartungsvoll an. Ich hob die Schultern, wollte Knut nicht noch mehr provozieren. Schon öfter hatte er sich bei seinem Vater über jemanden im Dorf beschwert, auch über mich. Mutter mochte es nicht, wenn ich bei

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