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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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was ich sagte.
    »Was jetzt?«, fragte ich, als sich das Schweigen in die Länge zog.
    Schwester Johannita schürzte die Lippen, dachte einen Moment nach. »Jetzt«, sagte sie dann, »gehen wir gemeinsam zu Mutter Immaculata. Du wirst ihr erzählen, was du mir erzählt hast, und ich werde sagen, mir wäre bei meinen Gebeten um Vergebung unten in der Konversinnenkapelle auf einmal die Eingebung gekommen, nach oben zu gehen. Das ist sicherlich ein Zeichen dafür, dass Gott mir meinen Fehltritt vergibt. Und dann holen wir die Wachen.«
    Mir wurde kalt.
    »Lass Ketlin doch gehen.« Agnes stützte sich schwer auf die Truhe und stand auf. »Ich räume hier alles auf, dann wird es sein, als wäre nie etwas geschehen.«
    Schwester Johannita schüttelte den Kopf. »Und damit die letzte Hoffnung aufgeben, nach Immaculatas Tod ihren Platz einzunehmen? Ich habe jahrelang Wissen in unwillige Köpfe geprügelt, weil meiner Familie das nötige Geld fehlte, damit ich eines Tages Äbtissin werden kann. Gott hat es gefallen, diese Tür zu schließen, aber er hat eine neue geöffnet.« Sie sah mich an. »Eine gesuchte Hexe dingfest zu machen und der Gerechtigkeit zuzuführen, ist eine Leistung, die niemand übersehen kann. Wenn es so weit ist, wird man sich daran erinnern.« Sie drehte sich zur Tür um, sah mich aber aus den Augenwinkeln an. »Komm jetzt, bevor Immaculata zu Bett geht.«
    Im gleichen Moment wurde die Tür von außen geöffnet.
    »Ich hatte dir doch befohlen, bis zum Morgengrauen zu beten«, sagte die Äbtissin. »Du …« Sie unterbrach sich, als sie uns sah. »Was ist hier los?«
    Ich antwortete nicht, sah nur die Lücke zwischen ihr und Johannita und die geöffnete Tür mit dem dunklen Gang dahinter. Nichts wollte ich sehnlicher, als in dieser Dunkelheit zu verschwinden.
    Ich lief los.
    »Sie entkommt!«, schrie Agnes. Ich spürte ihre Hand an meinem Umhang, aber sie hielt mich nicht fest, spielte nur die Rolle, die ich ihr aufgezwungen hatte.
    Noch während ich den Umhang um mich raffte, warf Johannita den Kerzenständer nach mir. Wachs spritzte, als ich ihn zur Seite schlug. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er scheppernd über den Boden rollte, hinein in die Wäsche, die neben der Truhe lag.
    Agnes begann auf die Flammen einzutreten, die auf einmal aufloderten, aber ich beachtete es nicht weiter, sondern duckte mich unter Johannitas Schlag hinweg und lief in den Gang.
    Mutter Immaculata wich zurück. Ihr Gesicht war angstverzerrt. Vielleicht glaubte sie, dass ich mich auf sie stürzen wollte. Womöglich glaubte sie sogar das Gerede, ich wäre eine Hexe, und fürchtete sich vor meinen dunklen Kräften.
    Als ich mich umdrehte und in die Dunkelheit rannte, sah ich, wie Johannita nach ihr griff und sie in das Zimmer zog. Mit einem Knall flog die Tür zu.
    Gott schließt eine Tür und öffnet eine andere, dachte ich, als ich die Treppen hinunter und durch den Keller lief.
    Ohne zu verstehen warum, erschauderte ich bei dem Gedanken.
    Erst am nächsten Morgen begriff ich, was ich gesehen hatte.
    Ich wartete darauf, dass die Schmuggler über mein Schicksal entschieden, als Georg sagte: »Habt ihr schon gehört? Die Äbtissin des Zisterzienserklosters ist von einer Hexe erschlagen worden.«

Kapitel 26
    Georg war so aufgeregt, dass er die Geschichte allein in meinem Beisein ein halbes Dutzend Mal erzählte. Ich versuchte, so zu tun, als würde ich ihm nur beiläufig zuhören, so wie man jemandem lauscht, der etwas Schlimmes berichtet, was einen selbst nicht betrifft.
    »In der ganzen Stadt redet man von nichts anderem«, sagte er, als auch Richard und Czyne hinzukamen. Alle Blicke ruhten auf ihm, und es war nur allzu deutlich zu erkennen, wie sehr ihm das gefiel. »Es muss irgendwann gestern Nacht passiert sein. Anscheinend ist eine Frau, die von den Wachen schon lange wegen Hexerei gesucht wird, ins Kloster eingedrungen, um dort Feuer zu legen.«
    »Wer würde denn ein Kloster anzünden wollen?«, fragte Paul.
    »Der Teufel natürlich«, sagte Georg im Brustton der Überzeugung. »Klöster sind Orte der Frömmigkeit und Reinheit. Deshalb sind sie ihm zuwider.«
    Einige nickten, ich biss mir nur auf die Lippen.
    »Die alte Äbtissin hat sie überrascht, als die Hexe das Feuer legte, und wollte sie aufhalten, aber die Hexe hat sie mit ihrem eigenen Kruzifix erschlagen.«
    »Wie schrecklich«, sagte Femeke. Ihre beiden Kinder klammerten sich an ihren Rock, sahen von einem Schmuggler zum anderen, als hofften sie, dass einer

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