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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Unterleib hatte, Andreas, ein Gaukler mit einem ständig tränenden Auge, und ein Schmuggler namens Lamprecht, der seine Gesichtswarzen dafür verantwortlich machte, dass ihn Frauen ablehnten.
    Czyne hielt sich an das, was sie versprochen hatte. Ich beschrieb ihr Jacobs Aussehen und nannte die Tore, von denen ich annahm, dass er dort auftauchen würde, und in meinem Beisein befahl sie drei Männern, nach ihm Ausschau zu halten. Trotzdem ging ich jeden Morgen zu den genannten Toren, für den Fall, dass er dort aufgetaucht war. Es fiel mir leichter als zuvor, der Weg schien kürzer und die Stadt irgendwie heller.
    Auch Agnes merkte, dass es mir besser ging. Als sie mich darauf ansprach, log ich wie so oft und behauptete, es wären bestimmt die Gebete, die mich mit neuer Kraft erfüllten, während ich mir selbst sagte, dass es an der neuen Hoffnung lag, die ich geschöpft hatte, seit ich wusste, dass auch die Schmuggler nach Jacob Ausschau hielten.
    Aber etwas in mir wusste, dass das nicht die ganze Wahrheit war.
    Wenn sich Richard in der Höhle aufhielt – er war für die Verhandlungen mit den Wachen verantwortlich und deshalb häufig in der Stadt unterwegs –, sprach er nicht mehr und nicht weniger mit mir als die anderen auch. Ich hatte den Eindruck, dass er genau darauf achtete, wie viel Zeit er mir widmete, und längere Unterhaltungen mit mir vermied. Und Czyne, so kam es mir vor, achtete ebenfalls darauf, denn sie befand sich stets in der Nähe, wenn Richard mit mir sprach, und beobachtete uns lauernd.
    Ich versuchte sie nicht zu beachten, ertappte mich aber gelegentlich dabei, dass ich sie beobachtete, wenn sie mit Richard sprach. Kein einziges Mal sah ich eine Berührung, nur selten ein Lächeln, und wenn, dann ging es von ihm aus und niemals von ihr.
    Je öfter ich mich bei den Schmugglern aufhielt, desto mehr erfuhr ich über ihr Leben. Sie verließen selten ohne einen Auftrag die Stadt, wurden meistens von wohlhabenden Händlern angeheuert, um deren Waren nach Coellen zu bringen. Mehr als einmal fiel dabei der Name Erasmus.
    Es war ein gefährliches Leben. Ein halbes Dutzend Schmuggler war seit Schließung der Stadttore entweder getötet oder gefangen genommen worden. Nicht alle Wachen ließen sich bestechen, und selbst die, die Richard bezahlte, würden sich gegen ihn wenden, wenn sie in Gefahr gerieten, dass sie aufflogen, oder wenn jemand ihnen ein besseres Angebot machte.
    »Wir sind nicht die einzigen Schmuggler in Coellen«, sagte er eines Abends, als ich mit allen am Tisch saß und aß. »Die obersten Familien der Stadt haben ihre eigenen Armeen, von denen jede einen Teil der Stadtmauern kontrolliert. Wer genug zahlt, kriegt seine Waren bis vor die Haustür geliefert.«
    »Die können uns nicht leiden, weil wir billiger und besser sind«, ergänzte Paul. Er biss in ein Stück Brot und riss es mit den Zähnen und seiner gesunden Hand auseinander. Die verletzte hatte ich bandagiert und so geschient, dass er sie nicht bewegen konnte.
    Die meisten am Tisch nickten und grinsten. Ich spürte, wie stolz sie auf sich waren.
    »Deshalb jagen sie uns, wann immer sie können«, sagte Richard. Im Gegensatz zu Paul klang er ernst. »Und es wird schlimmer werden, je länger die Tore geschlossen bleiben. Mit der Verzweiflung lässt sich viel Geld verdienen. Keiner von ihnen will es teilen.«
    »Schon gar nicht mit uns.«
    Da war wieder dieser Stolz in Pauls Stimme. Er saß mir gegenüber in der Mitte der Bank, direkt neben Richard. Czyne saß am einen Kopfende des Tischs, das andere war frei.
    »Warum öffnet der Rat die Tore nicht einfach wieder, wenn ohnehin alles geschmuggelt wird?«, fragte ich.
    »Weil wir von Waren reden und nicht von Menschen.« Richard nahm einen Schluck Wein. »Wilbolt ist ein pragmatischer Bürgermeister. Die wohlhabenden Familien profitieren vom Schmuggel, und denen verdankt er sein Amt. Also lässt er es geschehen, solange es bei Waren bleibt und keine Menschen in die Stadt geschmuggelt werden.«
    Ich sah ihn an. »Und was ist mit Jacob?«
    Richard hob die Schultern. Georg rülpste laut und meinte: »Sagen wir so: Bete lieber zum Herrgott, dass man uns nicht erwischt.«
    Nach seinen Worten wurde es still am Tisch. Die Schmuggler starrten auf die großen Holzschüsseln mit Eintopf, die sie sich jeweils zu viert teilten, und hingen ihren Gedanken nach. Vielleicht aber beteten sie auch für die, die sie an den Mauern verloren hatten.
    »Aber wenn sie mich erwischen«, sagte Paul plötzlich

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