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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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weich wirkende Hände und saubere Fingernägel. »Ich wollte ihn eigentlich schicken, damit liegt euer Weib ganz richtig, aber jetzt bin ich froh, dass ich es nicht getan habe. Er hat mich im Stich gelassen, dieser undankbare Nichtsnutz. Abends noch hat er meine Tinkturen sortiert, und am nächsten Morgen war er verschwunden.«
    Ich erlaubte meinem Gesicht keine Regung, aber unter der Tischplatte verkrampften sich meine Hände.
    »Seine Eltern haben sich die Lehre vom Mund abgespart, und ich habe alles getan, damit aus ihm eines Tages ein guter Apotheker wird, aber er hat meine Großzügigkeit mit Füßen getreten. Ich hätte es wissen müssen. Er ist nun mal nicht zum Arbeiten geboren.«
    »Also hast du einen Diener an seiner Stelle geschickt?« Richard lenkte Erasmus’ Aufmerksamkeit auf sich. Vielleicht war mein Gesicht doch nicht so reglos, wie ich dachte.
    »Ja. Seine ganze Familie steht in meinen Diensten. Wenn er eine Dummheit begeht, landen sie alle im Schuldnerturm, das weiß er.«
    Erasmus sagte noch einiges mehr, aber ich dachte nur noch an Jacob und seine Lüge, etwas anderes nahm ich kaum mehr wahr.
    Irgendwann verabschiedeten wir uns von dem Apotheker und verließen das Haus. Richard musste mich daran erinnern, die Maske aufzusetzen, die ich selbstvergessen in einer Hand hielt.
    »Du hast davon nichts gewusst?«, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf, zog den Umhang eng um meinen Körper und ging rasch los. Richard folgte mir, stellte immer wieder Fragen, die ich nicht beantworten konnte oder wollte. Ja, ich hatte gewusst, wie unglücklich Jacob in seiner Lehre war. Nein, niemals hatte er davon gesprochen, sie abzubrechen. Nein, ich wusste nicht, wo er hingegangen war, und erst recht nicht, warum er mich belogen hatte.
    Obwohl ich einsilbig oder gar nicht antwortete, redete Richard weiter auf mich ein. Er meinte es gut, das wusste ich, aber ich wollte nicht mit ihm reden, sondern einfach nur allein sein.
    Als sich mir die richtige Gelegenheit bot, lief ich los.
    »Ketlin!« Richard rief mehrmals meinen Namen, aber ich drehte mich nicht um, sondern lief in immer kleinere Gassen, bis ich sicher sein konnte, ihn abgehängt zu haben. Dann schlug ich einen Bogen und ging zum Severinstor.
    Der Tavernenbesitzer stand wieder vor der Tür. Unter der Maske konnte er mich nicht erkennen, aber er ließ erneut zu, dass ich mich auf eine der Bänke abseits vom Schankbetrieb setzte. Es begann leicht zu nieseln, und ich schlug die Kapuze meines Umhangs hoch, damit der Silberreif nicht nass wurde.
    Es saßen keine Soldaten an diesem Nachmittag vor der Taverne, nur einige alte Männer, die der Regen ebenso wie mich nicht störte. Ab und zu warfen sie mir Blicke unter buschigen Augenbrauen hervor zu und tuschelten miteinander. Ich war mir sicher, dass sie über meine Maske sprachen.
    Ich fühlte mich verloren und allein, doch die Tränen, die ich befürchtet und vor Richard hatte verbergen wollen, blieben aus. Das erfüllte mich ein wenig mit Stolz.
    Mit jedem Schlag, dachte ich, werde ich erwachsener. Bald wird mich nichts mehr niederwerfen können.
    Der Gedanke vertrieb Enttäuschung und Wut. Ich begann mich umzusehen und die Stadt um mich herum wahrzunehmen. Die Menschen, die durch die Gassen gingen, manche von ihnen – die, die so gekleidet waren wie ich oder noch edler – mit Masken, die anderen ohne. Ich sah Tischler und Edelleute, Bettler und Soldaten, und zwischen ihnen schlichen sich bestimmt auch Diebe herum.
    Mir fiel ein zerlumpter Mann auf, der eine ebenso schmutzstarrende und zerlumpte Frau hinter sich herzog. Das Haar hing ihr wirr vom Kopf, seines war unter einer Schicht aus Dreck kaum auszumachen. Die anderen Passanten machten einen Bogen um sie.
    »Ihr da!«, rief der Mann, als er sich dem Tor näherte. Zu meiner Überraschung sprach er die Soldaten an, die in einer kleinen Gruppe zusammenstanden und redeten. Leute wie er gingen ihnen normalerweise aus dem Weg. »Ihr sucht doch eine Hexe, oder?«
    Obwohl ich eine Maske trug, zog ich die Kapuze tiefer in mein Gesicht.
    Die Soldaten gingen langsam auf ihn zu. Ihr Anführer legte die Hand auf sein Schwert. »Das ist richtig.«
    »Gibt es eine Belohnung? Weil …«, der Mann zog die Frau heran und ergriff mit beiden Händen ihre Oberarme, »… ich hier eine habe.«
    Die alten Männer vor der Taverne unterbrachen ihr Gespräch. Auch einige Passanten, die wohl nur das Wort Hexe gehört hatten, blieben stehen.
    Ich sah die Frau an. Sie wirkte willenlos und

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