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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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meiner nackten Haut und Czynes Blicke in meinem Rücken. Meine Hände suchten weiter nach den Ärmeln. »Weil er nur mein Lehrer war, nicht mehr«, sagte ich währenddessen, weil ich glaubte, dass sie das hören wollte. »Für die Zeit, die wir zusammen verbrachten, wurde er bezahlt, das dachte ich wenigstens. Ich kenne ihn eigentlich kaum.« Endlich glitten meine Hände in die Ärmel. Ich schob den Kopf durch den Kragen und atmete tief durch. »Du weißt bestimmt viel mehr über ihn als ich.«
    Ich drehte mich um und sah, dass ich allein in der Höhle war. Auch im Gang konnte ich Czyne nicht entdecken. Sie musste mich noch während meiner Antwort verlassen haben.
    Was soll das denn?, fragte ich mich, war aber gleichzeitig zu erleichtert, um Ärger über ihre Unhöflichkeit zu empfinden. Wenn sich Czyne in meiner Nähe befand, fühlte ich mich stets beobachtet und ein klein wenig angegriffen. Ich hätte gern gewusst, ob es anderen auch so ging.
    Das Kleid war ein wenig zu weit und zu lang für mich, aber ich raffte es mit dem Gürtel zusammen, bis ich keine Angst mehr haben musste, auf den Saum zu treten. Es war fast so schwer wie die Nonnentracht, die ich im Kloster zurückgelassen hatte, aber viel weicher und angenehmer. Der Stoff kratzte nicht auf der Haut, und ich spürte keine einzige Naht.
    Zuletzt setzte ich den Kopfreif über das Gebende und rückte ihn zurecht, bis ich glaubte, dass er gerade saß. Dann faltete ich meine eigene Kleidung zusammen und war beinahe entsetzt, als ich den Gestank roch, der daraus aufstieg. Als ich sie am Körper getragen hatte, war er mir nicht einmal aufgefallen.
    Richard erwartete mich bereits in der Haupthöhle, Czyne stand neben ihm und reichte ihm gerade einen großen Beutel. Seine Mundwinkel zuckten, als er mich sah. Ich hoffte, dass er mir kein Kompliment machen würde, und das tat er auch nicht.
    »Passt alles?«, fragte er nur, und ich nickte. »Dann machen wir uns besser auf den Weg.«
    Paul begleitete uns nach draußen, verabschiedete uns mit einer übertriebenen Verbeugung und sagte etwas von Hoheiten, was ich nicht ganz verstand. Bevor wir den Hinterhof verließen, hielt mich Richard mit einer Geste zurück und griff in den großen Beutel.
    »Hier«, sagte er. »Zieh die über.«
    Er hielt eine einfach geschnitzte braune Holzmaske mit langem Schnabel in der Hand. Lederriemen hingen von ihr nach unten.
    »Eine Seuchenmaske?«, fragte ich.
    Er reichte sie mir und nahm eine zweite aus dem Beutel. »Keine echte. Ein paar findige Händler haben sie nachgeschnitzt und verkaufen sie an die ganz Verzweifelten oder die ganz Dummen.«
    »Und wieso hast du dann welche gekauft?«
    Er zog sich seine Maske über und schnürte sie am Hinterkopf fest. »Weil mein Gesicht nicht zu meiner Kleidung passt und weil es besser wäre, wenn du in der Stadt nicht gesehen würdest.«
    Ich dachte an all die Soldaten, die durch die Stadt patrouillierten, und setzte sie wortlos auf. Obwohl ich Richards Mimik hinter dem Holz nicht sehen konnte, war ich mir sicher, dass er lächelte.
    Mit einer leichten Verbeugung ließ er mir den Vortritt.
    Die Sonne war ein milchiger heller Fleck, verborgen hinter Wolken, aber an ihrem Stand war abzulesen, dass die Mittagsstunde gerade erst angebrochen war. In unseren feinen Kleidern und mit den Masken auf dem Gesicht, für die manche ein Vermögen bezahlten, fielen wir in den ärmlichen Gassen auf. Die Menschen gingen uns aus dem Weg, und die Soldaten, denen wir begegneten, deuteten eine Verbeugung an und grüßten höflich, bevor sie weitergingen. Es waren tatsächlich weit mehr als gewöhnlich.
    Nach einer Weile bog Richard in eine breite Straße ab. »Jemand ist an uns herangetreten«, sagte er, »einer der wichtigsten und vor allem wohlhabendsten Männer der Stadt.«
    Seine Stimme klang dumpf unter der Maske. Meine drückte auf Wangen und Kinn, aber trotzdem genoss ich den Geruch des frischen Holzes, denn er minderte den Gestank der Fäkalienrinnen.
    »Er hat um eine Unterredung gebeten«, fuhr Richard fort, während er sich an einem Karren vorbeidrängte. Der Mann, der ihn zog, entschuldigte sich wortreich. »Dem Auftreten seines Dieners nach erwartet er jemanden von ähnlichem Stand wie er selbst und nicht …« Richard zögerte. »… uns«, sagte er dann schlicht.
    Ich nickte. Es musste aussehen, als wollte ich Körner vom Boden aufpicken.
    »Einem gut gekleideten Mann, der sogar seine Gattin mitbringt, vertraut man sicherlich eher seinen Besitz an als

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