Die Nonne und der Tod
stumpfsinnig, schien nicht zu verstehen, was um sie herum geschah.
»Das ist also eine Hexe, ja?«, fragte der Anführer der Soldaten.
Der zerlumpte Mann nickte. »Hab sie selber nachts mit dem Teufel fliegen sehen, so wahr ich hier stehe.«
»Wie heißt denn deine Hexe?«
Die anderen Soldaten kamen ebenfalls heran. Einige grinsten.
Der Mann hob die Schultern. »Wie soll sie denn heißen?«
Sogar die Alten vor der Taverne begannen zu lachen, als er das sagte. Der Anführer der Soldaten zog sein Schwert eine Handbreit aus der Scheide und deutete mit dem Kinn in die Gassen hinein. »Verschwinde. Du musst dir was Besseres einfallen lassen, wenn du dein Weib loswerden willst.«
»Aber sie ist eine Hexe!« Der Mann schüttelte die Frau, die mit einem Stöhnen antwortete. »Ihr müsst sie doch in den Kerker werfen, wenn ich das sage!«
Der Soldat zog sein Schwert wortlos ein Stück weiter aus der Scheide.
Der Mann wich zurück und verschwand fluchend in einer der Gassen, die Frau, die vielleicht seine war, hinter sich herziehend.
Ich stand von meiner Bank auf und verließ mit gesenktem Kopf die Taverne. Die Soldaten mussten wissen, wie ich hieß, sonst hätten sie nicht nach dem Namen der Frau gefragt. Also würden es auch die Schmuggler früher oder später erfahren. Ich fragte mich, ob Richard es vielleicht bereits wusste.
Außer der Höhle gab es keinen Ort, an dem ich mich noch sicher fühlen konnte, also ging ich dorthin zurück. Czyne und Richard erwarteten mich bereits, als ich aus dem Gang trat, die meisten anderen Schmuggler waren unterwegs.
»Komm mit in die andere Höhle«, sagte Richard. Er hatte sich noch nicht umgezogen, nur die Samtweste aufgeknöpft und den Hut abgelegt.
»Es tut mir leid, dass ich weggelaufen bin.« Ich folgte ihm in den kleinen Gang. Czyne blieb hinter mir. »Ich wollte nur allein sein und über alles nachdenken. Es …«
Richard drehte sich in der Mitte der Herrenhaus-Höhle um und unterbrach mich. »Du bist es, richtig? Die Hexe, die sie suchen.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Zwar hatte ich geahnt, dass er die Frage stellen würde, doch darauf vorbereitet war ich dennoch nicht.
Hinter mir hörte ich Czyne sprechen. »Ich habe mit einem der Soldaten, die wir bestechen, gesprochen. Er sagte, dass sie nach einer ehemaligen Nonne namens Ketlin suchen, die wegen Hexerei angeklagt ist. Das dürftest wohl du sein.«
»Du hättest das nicht verschweigen dürfen«, hielt mir Richard vor. Er nahm es persönlich, so als hätte ich mit meinem Schweigen sein Vertrauen missbraucht.
»Ich wusste nicht, wie ich es hätte sagen sollen. Ich hatte Angst, dass ihr mich nicht aufnehmen würdet.«
Czyne ging langsam um mich herum und blieb neben Richard stehen. »Du hattest recht«, sagte sie zu ihm. »Ich hätte auf dich hören sollen.«
»Es lässt sich nicht mehr ändern.«
Ich sah von Czyne zu Richard und wieder zurück. »Wovon redet ihr?«
Er öffnete den Mund, aber sie kam ihm zuvor. »Richard wollte nicht, dass du zu uns kommst.«
Ich konnte sehen, wie unangenehm es ihm war, dass sie das sagte. Czyne musterte ihn kurz aus den Augenwinkeln, musste es ebenfalls sehen, denn sie fuhr geradezu freudig fort, so wie jemand, der es genoss, eine schlechte Nachricht zu überbringen. »Er glaubte, dass du lügst, deshalb wollte er dir ein paar Pfennige geben und dich irgendwo in einer Taverne unterbringen. Er sagte …«, sie sah ihn an, »… irgendwas stimme nicht mit dir, du würdest das Verderben anziehen wie …«
»Es reicht!« Richard unterbrach sie. Seine Stimme zitterte vor Wut und vielleicht auch Scham. »Es war nicht so gemeint, wie es klingt.«
Ich biss mir auf die Lippen. Die Tränen, die bei dem Gedanken an Jacobs Lüge nicht hatten kommen wollen, musste ich nun mühsam zurückhalten. »Du warst die Gegenstimme?«
»Ja.«
Seine Worte und die von Czyne dröhnten in meinem Kopf. Ich drückte den Rücken durch und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. »Keine Sorge. Ich werde gehen, bevor ich das Verderben auch noch über euch bringe.«
Richard stellte sich mir in den Weg. »Wenn du jetzt gehst, wird jeder Schmuggler in der Höhle wissen wollen, weshalb. Und einer von ihnen wird die richtigen Schlussfolgerungen ziehen und sich auf die Suche nach dir machen, um die Belohnung zu kassieren.«
Ich hob die Arme. »Soll ich gehen, soll ich bleiben? Was, verdammt noch mal, wollt ihr von mir?«
»Ich will, dass du die Wahrheit sagst.« Richard sah mich beinahe
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